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Offener Brief an das BfS zum DECT-Thema

Auf seiner Webseite hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) seit April 2005 das Merkblatt Nutzung schnurloser Festnetztelefone/DECT-Telefone stehen. Flüchtig betrachtet ist dies eine sachliche, kompetente und stellenweise durchaus kritische Auseinandersetzung mit den viefach unterschätzten Minisendern in Wohnungen und Häusern. Überfliegt man die Webseite jedoch nicht nur, sondern nimmt sie genau und kritisch unter die Lupe, so kommt man zu anderen Schlüssen. Im folgenden Offenen Brief wird der Behörde eine Überarbeitung der Seite nahe legt.

Bundesamt für Strahlenschutz
Postfach 10 01 49
D-38201 Salzgitter 21. Juni 2005

Offener Brief zu Ihren Empfehlungen "Nutzung schnurloser DECT-Telefone"


Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beziehe mich auf Ihre o.g. Empfehlungen, wie im Internet unter www.bfs.de/bfs/druck/infoblatt/Schnurlos_DECT.html dargestellt, und auf das mit Ihrer Frau Dr. Dehos am 12.05.2005 geführte Telefonat. Ich begrüße Ihre Empfehlung, die persönliche Strahlenbelastung generell zu minimieren, um möglichen gesundheitlichen Risiken vorzubeugen, ausdrücklich. Neueste wissenschaftliche Hinweise auf mögliche gesundheitliche Risiken wie Erfahrungen aus meiner messtechnischen Praxis bewegen mich, Ihnen eine Überarbeitung der Empfehlungen nahe zu legen.

Ihre Empfehlung, die DECT-Basisstation dort aufzustellen, wo man sich nicht ständig aufhält, kann genau das Gegenteil von dem bewirken, was Sie eigentlich erreichen möchten. Verlagert man die Basisstation beispielsweise vom Wohnzimmer auf den Flur, grenzt der Flur aber an ein Schlafzimmer, so kann die Dauerexposition im Schlaf beträchtlich erhöht werden. Es wird also darauf ankommen, den „günstigsten“ Ort durch einen Fachmann in jedem Einzelfall durch HF-Messung bestimmen zu lassen. Dabei sollten Gebäude in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Die Strahlungsexposition im eigenen Wohnumfeld zu verringern und sie gleichzeitig im Umfeld des Nachbarn zu erhöhen, wäre wenig wünschenswert. Dies kann z.B. sehr schnell passieren, wenn man die Basisstation in die letzte Abstellkammer verlagert, die Abstellkammer aber ebenso an ein nachbarliches Schlafzimmer grenzt. Fachleute für HF-Untersuchungen stehen bereit. Ein kleiner Hinweis an den Verbraucher, der Sie nichts kostet, könnte lauten: "Fachleute finden Sie im Internet unter den Begriffen Baubiologie, Baubiologen, Elektrosmoguntersuchung, Schlafplatzuntersuchung."

Wissenschaftliche Hinweise aus der Reflex-Studie besagen:
1. Gentoxische Effekte sind bei intermittierender Strahlung höher als bei Dauerstrahlung.
2. Gentoxische Effekte treten bei nicht gepulster gleichermaßen wie bei gepulster Strahlung auf.

Setzt man diese Hinweise in Empfehlungen um, so muss man konsequenter Weise
1. den Focus möglicher Gesundheitsrisiken von der DECT-Dauerstrahlung der Basisstation auf den Focus der intensiveren, intermittierenden Strahlung durch das DECT-Mobilteil erweitern und
2. CT1plus-Telefone gleichermaßen in das Gefahrenpotential möglicher Risiken mit einbeziehen.

Bitte entgegnen Sie mir an dieser Stelle nicht, dass in der Reflex-Studie mit anderen Frequenzen und Intensitäten untersucht wurde. Mögliche gentoxische Effekte, gerade wenn es sich um DNA-Doppelstrangbrüche handelt, sind derart schwerwiegend, dass sie bis zu ihrer entgültigen wissenschaftlichen Klärung eine konsequente Umsetzung in präventiven Empfehlungen erfordern.

Ihre Empfehlung "Führen Sie nur kurze Telefonate" wird vom Verbraucher sicherlich in unterschiedlichster Weise ausgelegt und bedarf somit einer Konkretisierung. "5 Minuten ein, 10 Minuten aus " erweist sich als das wirksamste Expositionsmuster nach den Ergebnissen der Reflex-Studie. Da längere Expositionsmuster geringere Effekte erzielen, kann eine Empfehlung mit zeitlichem Hinweis eigentlich nicht gegeben werden. Viel mehr wird es darauf ankommen, den Verbraucher auf das mögliche Gefahrenpotential, das vom DECT-Mobilteil ausgehen könnte, hinzuweisen: "Bedenken Sie bitte, dass nach derzeitigen wissenschaftlichen Hinweisen ein Gesundheitsrisiko durch die Strahlung des DECT-Mobilteils auch bei kurzen Telefonaten nicht ausgeschlossen werden kann."

Ihre Empfehlung "Setzen Sie neu entwickelte DECT-Telefone ein, die strahlungsfrei sind, wenn das Handgerät in der Basisstation steckt" bedarf ebenso einer Konkretisierung. Wie mir Ihre Frau Dr. Dehos mitteilte, ist Ihnen sehr wohl bewusst, dass es derzeitig nur ein einziges Telefon dieser Art gibt. Das sollte man dann auch so formulieren, um den Verbraucher nicht in die Irre zu führen. Eine Abschaltautomatik ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, da zumindest die Dauerstrahlung der Basisstation in gesprächsfreien Zeiten entfällt. Analog fehlt hier ebenso der Hinweis auf das mögliche Gesundheitsrisiko durch das Mobilteil. Auch bitte ich Sie, den Verbraucher zu diesem einzigen Modell umfassend aufzuklären: "Bei diesem Modell schaltet beim Betrieb mehrerer Mobilteile die Dauerstrahlung der Basisstation nicht ab."

Der Wegfall einer Dauerstrahlung bei CT1plus ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch scheinen andere physiologische Effekte bei nicht gepulster Strahlung nicht aufzutreten. CT1plus kann aber nach den Ergebnissen der Reflex-Studie nicht mehr als eine DECT-Alternative verstanden werden. Ergänzend sei bemerkt: Auch wenn CT1plus mit geringerer Leistung als DECT emittiert, so sorgt die niedrigere Frequenz für eine stärkere Eindringfähigkeit ins Gewebe. SAR-Untersuchungen an DECT und CT1plus sind vermutlich nie gemacht worden, mir zumindest nicht bekannt. Vergleichende SAR-Untersuchungen sollten aus meiner Sicht mindestens durchgeführt werden, bevor CT1plus als DECT-Alternative hingestellt wird. Aus meiner Sicht fehlt in Ihren Empfehlungen analog der Hinweis auf das mögliche Gesundheitsrisiko durch das CT1plus-Mobilteil.

Die Alternative, die wohl am besten zur Strahlungsminimierung geeignet wäre, findet in Ihren Empfehlungen keinen Hinweis: Die HF-Abschirmung des DECT-Telefons. Seit einiger Zeit werden von verschiedenen Herstellern Fertigprodukte angeboten. Manche Hersteller bieten eine Abschirmung der Basisstation, ein anderer bietet einen Komplettschutz für Basisstation und Mobilteil. Abschirmleistungen von bis zu 99,975 % werden erreicht, wodurch ein mögliches Gefahrenpotential auf die wohl wirkungsvollste Weise minimiert wird. Für die von Ihrer Frau Dr. Dehos geäußerten Zweifel an der Abschirmleistung derartiger Produkte habe ich ausdrücklich vollstes Verständnis. Unabdingbares Merkmal einer Telefonabschirmung muss das qualifizierte HF-Gutachten einer unabhängigen Institution am Serienprodukt sein. Das HF-Labor einer Universität kann dieses leisten. Meines Wissens bietet leider nur ein einzigster Hersteller derartige Gutachten seiner Produkte. Ich würde mich freuen, wenn Sie in konsequenter Umsetzung Ihrer Empfehlungen die Möglichkeiten von DECT-Abschirmungen erwähnen würden. Bitte ermutigen Sie den Verbraucher, vom Hersteller solcher DECT-Abschirmungen qualifizierte Gutachten einzufordern. Auch hier meine ich: Ein kleiner Hinweis an den Verbraucher, der Sie nichts kostet, könnte lauten: "Anbieter von DECT-Abschirmprodukten finden Sie im Internet unter Begriffen wie Abschirmbox, Schirmschlauch, Mobilschlauch."

Ihre Forderung an die Industrie, DECT-Telefone zu entwickeln, die im Stand-by-Betrieb strahlungsfrei sind, geht in die richtige Richtung. Ihre Forderung, DECT-Telefone mit bedarfsgerechter Leistungsregelung zu entwickeln, ist mir zu wenig konkret, als das ich mich Ihrer Meinung anschließen könnte, denn Leistungsregelung kann vieles bedeuten. Die Definition einer Leistungsstärke bedeutet Prioritäten zu setzen: Reichweite kontra Gesundheitsschutz. Derzeitige DECT-Modelle setzen alle auf Reichweite. 99 % aller Telefonate werden vermutlich aus einem Umkreis von ca. 30 m geführt. Warum sollte man also DECT-Telefone mit einer überdimensionierten Leistung ausstatten, um die restlichen 1 % der Telefonate führen zu können? Aus meinen Erfahrungen kann ich Ihnen bestätigen, dass mit einer um ca. 99 % reduzierten Immission in einem Umkreis von ca. 30 m telefoniert werden kann. Deshalb sollte Ihre konkrete und technisch machbare Empfehlung lauten: Entwicklung von DECT-Telefonen mit einer 99 %igen Leistungsreduzierung.

Das Entscheidungsrecht des Verbrauchers hat in einer freien Marktwirtschaft oberste Priorität. Um entscheiden zu können, muss der Verbraucher auf ein mögliches Gefahrenpotential hingewiesen werden. Wenn Sie Ihre präventiven Empfehlungen ernst meinen, woran ich keinen Zweifel habe, frage ich mich, warum Sie nicht auch eine Forderungen an die Politik formulieren, eine Kennzeichnungspflicht für alle nicht Strahlen reduzierten DECT- und CT1plus-Telefone einzuführen. Ich würde mich über Ihre Initiative freuen.

Erlauben Sie mir bitte abschließend, eine Forderungen an das BfS selbst zu richten. Sie setzen sich mit Ihren Empfehlungen im Internet entschieden für Prävention ein. Intensive und nachhaltige Aufklärungsarbeit kann aber nur massenwirksam sein, wenn Sie auch in die Hardprint-Medien gehen. Bedenken Sie bitte, dass den meisten Verbrauchern immer noch nicht bekannt ist, dass DECT-Basisstationen Dauerstrahler sind.


Ich hoffe, mit meinen Ausführungen von Ihnen konstruktiv verstanden zu werden und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Herwig Borr

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