Sie befinden sich hier:
Startseite->Artikel->Weltbiodiversitätsrat IPBES: Macht die Beteiligung der Industrie glaubwürdig oder das Gegenteil?

Weltbiodiversitätsrat IPBES: Macht die Beteiligung der Industrie glaubwürdig oder das Gegenteil?

In Bonn kommen vom 12. bis 17. Januar zum dritten Mal die Vertreter der 126 UN-Mitgliedstaaten des „Weltbiodiversitätsrates“ IPBES zusammen. Beschlossen werden sollen unter anderem die geplanten Inhalte der ersten thematischen Berichte, welchen Stellenwert politische Handlungsempfehlungen spielen sollen und, wer in welcher Form zum Prozess beitragen darf.

Besonders letzter Punkt entscheidet maßgeblich über die künftige Akzeptanz und somit den Umsetzungserfolg der Politikempfehlungen. Doch noch bevor der erste Bericht erschienen ist, gibt es bereits in genau der Frage zum Beteiligungsrecht Kritik: Es seien Experten aus der Industrie als Autoren des ersten Berichtes zugelassen worden. Den privaten Sektor grundsätzlich auszuschließen, sei falsch, findet Carsten Neßhöver, Projektleiter vom Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung (NeFo). IPBES bezöge bewusst und richtigerweise verschiedene Wissensformen und Sichtweisen ein, um ausgewogen zu sein. Wichtig s

Während das Plenum im Januar noch über die geplanten Inhalte der nächsten Berichte wie beispielsweise zum weltweiten Verlust von Natur- und Nutzflächen (Landdegradation) durch nichtnachhaltige Bewirtschaftung, den Auswirkungen invasiver Arten oder zur Lage und Ursachen des Verlustes von Ökosystemen auf regionaler Ebene entscheiden müssen, ist ein Bericht schon fast fertig: eine Schnelluntersuchung zur Lage und Bedeutung der Bestäuber in unserer Nahrungsmittelproduktion.

Ein heißes Eisen, denn hier steht die Agrarindustrie gerade massiv in der Kritik, für das dramatische Schwinden von Bestäubern wie Bienen, Hummeln und Schmetterlingen (mit-)verantwortlich zu sein. Der Bericht soll erst in einem Jahr erscheinen, doch Kritik gibt es schon jetzt. So beanstanden Beobachter, es seien auch Autoren genau jener Industrie an den Arbeiten beteiligt. IPBES mache sich so als unabhängige politische Beratungsinstanz unglaubwürdig.

„Welcher Forscher ist tatsächlich unabhängig, welcher nicht?“ fragt Carsten Neßhöver, NeFo-Projektleiter und Experte für internationale Umweltpolitik sich im Opens external link in new window>>IPBES-Blog. Selbst Forschende an staatlichen Instituten arbeiteten meist in fremdfinanzierten Projekten, wo Einflüsse der Förderer, seien es private Stiftungen oder öffentliche Einrichtungen wie Ministerien, auf die Ergebnisse nicht ausgeschlossen werden können.

Grundsätzlich solle die Einbeziehung solcher Interessengruppen wie der Industrie aber eher dem Vorwurf der Unausgewogenheit vorbeugen. So hat sich IPBES auf die Fahnen geschrieben, nicht nur Wissen aus Universitäten und Forschungseinrichtungen anzuerkennen, sondern alle verfügbaren Wissensformen einzubeziehen. Neben der klassischen Forschung ist auch angewandtes Wissen bspw. traditioneller indigener Völker nötig, um nachhaltige Nutzungsformen einzubringen.

„Ohne die Beteiligung der Praxis oder auch aus der Industrie und ihrer eigenen Forschungsexpertise ist auch die Akzeptanz von Ergebnissen und Handlungsempfehlungen bei  diesen Akteuren unwahrscheinlich. So lassen sich die notwendigen Änderungen im Umgang mit unserer natürlichen Lebensgrundlage nicht herbeiführen.“, sagt Neßhöver. „Auch die Industrie hat hier im Verständnis von IPBES ein Mitwirkungsrecht. Kritisch sei aber in der Tat, dass das Regelwerk zur Auswahl der Autoren noch nicht endgültig beschlossen ist.“, meint Neßhöver. Dies solle nun beim dritten Plenum im Januar in Bonn geschehen.

Hintergrund:

Die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services IPBES wurde 2012 ins Leben gerufen, um, ähnlich wie der IPCC im Klimabereich, eine einheitliche und von allen anerkannte wissenschaftliche Grundlagen für eine effektive globale Umweltschutzpolitik zu liefern. Das Übereinkommen zur Biologischen Vielfalt (CBD) hat zwar nominell auch ein wissenschaftliches Beratungsgremium, dies hatte sich jedoch sehr schnell zu einem reinen politischen Vorverhandlungstreffen zwischen den CBD Vertragstatenkonferenzen gewandelt.

IPBES soll diese Lücke nun schließen. Hauptgremien sind das Plenum der Mitgliedstaatenvertreter und das so genannte Multidisciplinary Expert Panel, zu dem jede UN-Region fünf Wissenschaftler entsendet. Diese treffen einen Auswahl von Themen, Autoren und bewerten die Datenquellen und Inhalte. Leitende Autoren können wiederum Autoren aus allen Sparten auswählen. Das können Forscher sein, aber auch Expertinnen und Experten von Umweltverbänden, die hier einen enormen Beitrag zum Wissen über die biologische Vielfalt liefern (IUCN Redlist, Vogelkartierungen etc.) und die wichtige Netzwerke zur Umsetzung von Handlungsempfehlungen in allen Ländern der Welt bereitstellen. Die Privatwirtschaft leistet ebenfalls relevante Forschungsarbeit. Der erste Bericht zum Verlust der Bestäuber soll Anfang 2016 erscheinen.

Wer ist IPBES, welche Ziele hat es, wie sehen die Entscheidungsstrukturen aus und zu welchen Themen arbeitet er? Alles, was Sie über den „Weltbiodiversitätsrat" wissen müssen, finden Sie zusammen gefasst im neuen IPBES-Wegweiser auf der Opens external link in new window>>NeFo-Webseite.

Wie wesentlich die Einbeziehung so genannter Stakeholder für den Erfolg von IPBES ist, zeigt ein Opens external link in new window>>NeFo-Video, das Sie auf eine Zeitreise in die Zukunft nimmt.

Über Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NEFO)

Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland (NEFO) ist eine Kommunikationsplattform für Wissenschaftler und Anwender von Wissen zur biologischen Vielfalt. Das Projekt wird im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland e.V. durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Ein wichtiges Ziel ist es, die Forschung unterschiedlicher Disziplinen, die sich mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen zur Biodiversität befasst, stärker ins öffentliche Licht zu stellen und mit aktuellen relevanten Politikprozessen zu vernetzen. Hierzu stellen wir direkte Ansprechpartner für Fragen aus Medien, Politik und Öffentlichkeit bereit, arbeiten aktuelle Themen auf und vermitteln Experten. Projektpartner sind das Museum für Naturkunde Berlin und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ.
Weitere Informationen finden Sie unter: Opens external link in new windowwww.biodiversity.de