Sie befinden sich hier:
Startseite->Artikel->Brasiliens Regierung setzt auf Ölpalmen

Brasiliens Regierung setzt auf Ölpalmen

Zehn Millionen Hektar: So viel Fläche will die brasilianische Regierung so bald als möglich der aus Afrika stammenden Ölpalme in Amazonien opfern. Als erste Etappe, so Landwirtschaftsminister Reinhold Stephanes, sei die Ausweitung der bestehenden rund 60.000 Hektar großen Plantagen auf eine Million Hektar vorgesehen. Profiteure sind nationale und internationale Konzerne wie der malaysische Konzern Felda im Bundesstaat Amazonas, der größte lateinamerikanische Palmölproduzent Agropalma sowie das kanadische Unternehmen Biopalma in Pará.

Der bereits während der Militärregierung vor rund 30 Jahren geplante großflächige Ölpalmanbau ist direkt verbunden mit Präsident Luiz Inácio Lula da Silvas Biodieselprogramm und der festgesetzten Erhöhung der obligatorischen Beimischungsquote von heute 3 Prozent auf 5 Prozent im Jahr 2013. Bislang wird Brasiliens subventionierter Biodieselkraftstoff vor allem aus Soja-Öl gewonnen. Die Zukunft soll aber Palmdiesel aus Amazonien sein. Ob es bei den von Lula vorerst anvisierten 10 Millionen Hektar Ölpalmen bleiben wird, ist fraglich. Die staatliche Agentur für Landwirtschaftliche Forschung, Embrapa, spricht offen von rund 70 Millionen Hektar potentieller Anbaufläche in Amazonien, zehnmal mal mehr als die gesamten heutigen Ölpalmplantagen Indonesiens. "Fast die Hälfte von Amazonien", so die beiden Wissenschaftler Rhett A. Butler und William F. Laurance vom Smithsonian Tropical Research Institute,  "taugt für den Anbau von Ölpalmen, und malaysische Unternehmen drängen in die Region, um neue Plantagen anzulegen, während die brasilianische Regierung eine Gesetzesänderung erwägt, das Ölpalmplantagen als `Wald´ zählt." Falls Brasilien das Ölpalmpotential Amazoniens gänzlich ausbeuten würde, wäre es der mit Abstand größte Palmölproduzent der Erde.

"Die Ölpalme ist unser grünes Erdöl", so Senator Flexa Ribeiro, der "Erfinder" der Änderung des brasilianischen Waldschutzgesetzes, die eben diese großflächige Regenwaldabholzung per Gesetz erlauben soll. Bisher müssen Landbesitzer in Amazonien, die mehr als 20 Prozent ihrer Fläche abholzen, die zu viel gerodete Fläche theoretisch mit einheimischen Baumarten wieder aufforsten, was aber faktisch nicht geschieht. In der auf den Weg gebrachten Änderung des so genannten Código Florestal werden nun exotische Palmen- und Baumarten wie die Ölpalme oder der australische Eukalyptus einheimischen Arten gleichgesetzt. Das heißt konkret, dass die illegale Waldvernichtung sanktioniert und die Anlage industrielle Plantagen erlaubt sind. Der veränderte Código Florestal wäre damit ein Freibrief für Regenwaldvernichtung größten Ausmaßes zugunsten von Monokulturen, die obendrein Boden und Wasserressourcen mit Pestiziden und Dünger vergiften.

Schon Anfang des Jahres hatte die Interministrielle Kommission für die ökologisch-ökonomische Zonierung Brasiliens die Änderung des Código Florestal entlang der Amazonasstraßen BR-163 und der legendären Transamzonica BR-230 in den Staaten Pará und Mato Grosso beschlossen, mit dem Segen des Umweltministeriums. Carlos Minc, Nachfolger von Ex-Umweltministerin Marina Silva in Brasilia, gilt als Befürworter der Ölpalmexpansion in Amazonien.

Passiert die Gesetzesänderung auch die letzte Hürde, den nationalen Umweltrat (Conama), dann kann entlang der Amazonasstrassen auf einer Fläche von 33,4 Millionen Hektar legal statt nur 20 Prozent 50 Prozent des artenreichen Waldes zerstört werden. Im ostamazonischen Bundesstaat Pará ist das neue Waldschutzgesetz, das in Wirklichkeit die Waldvernichtung erlaubt, schon von der Gouverneurin Ana Júlia Carepa sanktioniertes Gesetz. Pará ist nicht nur seit den 1970er Jahren Spitzenreiter in der illegalen Abholzung, sondern nicht nur zufällig auch Hauptanbaugebiet der Ölpalme. Das Unternehmen Agropalma besitzt dort seit 1982 in der Region Tailândia 105.000 Hektar "Urwald", von dem 2008 bereits rund ein Drittel, 34.000 Hektar, abgeholzt und in Ölpalmplantagen umgewandelt war.

Ebenfalls in Pará aktiv ist seit 2008 das Kanadische Unternehmen Biopalma, das zunächst eine 40.000 Hektar große Plantage anlegen will. Das dafür ausgesuchte Gebiet ist allerdings Territorium von so genannten Quilombolas, den Nachfahren ehemaliger Sklaven. Schon im vergangenen Jahr, so die brasilianische Organisation Repórter Brasil, beklagte die Quilombola-Vereinigung von Nova Esperança de Concórdia (AQUINAC) den Landkonflikt mit Biopalma, das möglichst preisgünstig an das Land der Sklavennachfahren heran will.

Laut ethnologischen Studien der Universität von Pará gibt es in der von Biopalma ausgewählten Region Concórdia do Pará nicht weniger als 18 Gemeinschaften ehemaliger Sklaven genannt Quilombos. Doch die Regierung hat bislang erst vier davon offiziell anerkannt und damit deren Gebiete vor Landraub gesichert.

Neuester Ölpalminvestor in Brasilien ist der malaysische Konzern Felda, der mitten im Herzen  Amazoniens, im Bundesstaates Amazonas 100.000 Hektar Plantagen anlagen will. Partner des von der Banco da Amazônica (Basa) cofinanzierten Projekts ist das brasilianische Palmölunternehmen Braspalma. Die erste Plantage mit 20.000 Hektar soll noch in diesem Jahr gepflanzt werden. Offiziellen Verlautbarungen der Regierung des Bundesstaates Amazonas zufolge, werde für das brasilianisch-malaysische Palmölprojekt kein Regenwald abgeholzt. Denn das dafür ausgesuchte Gebiet im Bezirk Tefé, rund 500 Kilometer von Manaus entfernt, sei bereits vor rund 20 Jahren zur Anlage von Ölpalmplantagen abgeholzt wurden. Schon die damalige Militärdiktatur Brasiliens träumte von einem Ölpalmenmeer in Amazonien. Das von ihr angestrengte und 1984 mit Weltbankgeldern finanzierte Palmölprojekt von Tefé, ausgeführt von der landeseigenen Vorgängerfirma von Braspalma, der Empresa Amazonense de Dendê (Emade), schaffte es damals allerdings gerade mal 1410 Hektar zu pflanzen und wurde neun Jahre später aus ökonomischen Gründen eingestellt.

Dass der Regenwald von Tefé traditionelles Stammesgebiet von sieben Indianervölkern, den Kaixana, Miranha, Witoto, Issé, Kambeba, Ticuna und Kokama ist, kümmerte damals weder die Militärregierung noch die Firma Emade. Bis heute warten die Indianer auf Entschädigung des staatlich sanktionierten Landraubs. So habe man damals ohne jeglichen Respekt vor den Ureinwohner und Umwelt nicht nur den Wald bis an die Flussränder gerodet, sondern auch die Versorgungsstrasse der Plantage mitten durch ein Indianerdorf gelegt, kritisierte der Indianermissionsrat der katholischen Kirche (CIMI) 2006. "Unsere natürlichen Ressourcen wurden bis zur Erschöpfung ausgebeutet. Der Kontakt mit den weißen Männern hat uns geschädigt. Die Zukunft kommender Generationen der Kocama ist gravierend gefährdet, und alles was wir bekamen, waren nur lügen", beklagt Häuptling Tuxaua Pedro Carvalho dos Santos.

Norbert Suchanek
Journalist und Autor
Internet: www.norbertsuchanek.org
E-Mail: norbert.suchanek(at)online.de