Sie befinden sich hier:
Startseite->Artikel->Billigstrom sorgt für Strompreiserhöhungen

Billigstrom sorgt für Strompreiserhöhungen

Seit drei Jahren kennen die Börsenstrompreise nur eine Richtung: nach unten. Jetzt sind sie dauerhaft unter 40 Euro die Megawattstunde gesunken. Das sorgt für ein starkes Ungleichgewicht bei der Verteilung der Kosten für die Energiewende. Modelle, wie das zu ändern wäre, gibt es.

Bereits seit mehreren Monaten sind die Preise an der European Energy Exchange (EEX) Strombörse in Leipzig auf einem historischen Tiefstand und fallen weiter. Kontrakte über ganzjährige, konstante Stromlieferungen für 2014 bis hin zum Jahr 2018, die bereits heute in geringem Umfang gehandelt werden, sind im Schnitt unter 40 Euro pro Megawattstunde gefallen. Die Indizes, sogenannte Phelix Baseload Year Futures, lagen seit ihrer Einführung im Jahr 2007 noch nie auf so niedrigem Niveau.

Zwei Folgen: Die Betreiber konventioneller Kraftwerke klagen, dass sie auf einem solchen Preisniveau kein Geld mehr verdienen, drohen mit endgültigen Stilllegungen, was zu Engpässen bei niedriger Einspeisung erneuerbarer Energien führen kann — momentan allerdings kann die Bundesnetzagentur einen Weiterbetrieb anordnen. "Viele bestehende Kraftwerke können im jetzigen Energiemarkt nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden und sind von einer Stilllegung bedroht“, sagt die Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Opens external link in new windowHildegard Müller, in einer Mitteilung.

Zudem droht durch die niedrigen Börsenstrompreise ein weiterer Anstieg der EEG-Umlage, weil die Differenzkosten zu der garantierten Vergütung erneuerbarer Energien wachsen. Die Deutsche Energie-Agentur Dena rechnet mittlerweile mit einem Anstieg der EEG-Umlage von derzeit rund 5,3 Cent pro Kilowattstunde auf bis zu 7 Cent. Die Opens external link in new windowFrankfurter Allgemeine Zeitung berichtete Anfang August unter Berufung auf Branchenkreise ebenfalls von bis zu 7 Cent.

Vier Gründe für den günstigen Strom

Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts, sieht für die niedrigen Strompreise vier Gründe: Wegen der Wirtschaftskrise in Europa sinkt die Nachfrage an Energie insbesondere in den Nachbarländern. Dazu kommt, dass Steinkohle auf dem Weltmarkt derzeit günstig ist und die Preise für CO2-Zertifikate im Keller sind, da zu viele Zertifikate auf dem Markt sind. Zusätzlich sorgt die Photovoltaik besonders zu Spitzenlastzeiten während des Tages für ein höheres Stromangebot, verdrängt teure Gaskraftwerke und senkt die Preise noch weiter.

Die Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Claudia Kemfert, sieht das ähnlich: „Die Gründe liegen vor allem im derzeit hohen Überangebot an Strom, nicht nur aus erneuerbaren Energien, sondern auch aus Braunkohle und Atomkraft“, sagt sie. Sie sieht darin allerdings keinen Dauerzustand: „Das ist ein Übergangsphänomen, die Frage ist nur, wie lange das Überangebot dauert“, sagt sie. Ab 2016 bis 2017 rechnet sie mit steigenden Preisen an der Börse, weil neben Atomkraftwerken auch konventionelle Kraftwerke vom Netz gehen. Sie erwartet Situation von Stromknappheit mit hohen Preissprüngen an der EEX.

Matthes sieht zwar auch ein tendenziell niedrigeres Stromangebot, die große Unbekannte sei allerdings die künftige Preisentwicklung bei Kohle und Gas. „Es wird nach der Bundestagswahl ein neues Strommarktdesign kommen müssen“, fordert er. Die Frage ist nur, welches. Hier stehen Kemfert und Matthes exemplarisch für zwei unterschiedliche Lager: Matthes glaubt, dass die Preise an der EEX auch künftig nicht ausreichen, um genug konventionelle Kraftwerke als Backup für Erneuerbare zu erhalten und fordert, entsprechende Kapazitäten nach einem zweistufigen Modell für bestehende und neue Kraftwerke zu ermitteln und anschließend in Ausschreibungen zu vergeben. Kemfert hält die Preissignale der EEX für ausreichend, wenn es Preisinformationen in Echtzeit gibt, anhand derer sich sowohl Verbraucher als auch Stromanbieter flexibel an die jeweilige Situation anpassen.

In einem sind sich allerdings beide einig: Dass die Bundesregierung Stromanbieter zur Not auch mit Preisaufsicht und Preisüberwachung dazu bewegen sollte, preissenkende Faktoren zum Verbraucher durchzureichen.

Quelle: „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, www.nachhaltigkeitsrat.de