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Was die Energiewende jetzt braucht

Das Bundeskabinett hat kürzlich ein Klimapaket verabschiedet. Es soll bis 2020 etwa 62 bis 82 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen, damit Deutschland sein Ziel erreichen kann, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Mitglieder des Rates für Nachhaltige Entwicklung kommentieren hier das Maßnahmenpaket.

Opens external link in new windowProf. Dr. Hubert Weiger
Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND): „Ein Kohleausstiegsgesetz verschafft den Betreibern Planungssicherheit“

Die angekündigten Maßnahmen zur Verminderung der Treibhausgase bei der Energieversorgung können nur der erste Schritt zum dringend notwendigen Ausstieg aus der Kohleverstromung sein. Allein durch die Stilllegung der ältesten und ineffizientesten Braunkohlekraftwerke lassen sich bis 2020 rund 80 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

Leider hat die Bundesregierung aber selbst für jene 22 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, die nach dem Klimaaktionsplan im Kohlesektor weggespart werden sollen, nicht genauer festgelegt, wie dies gelingen soll. Bisher eher negative Erfahrungen mit Selbstverpflichtungen der Industrie lassen den Schluss zu, dass es besser wäre, dieses Ziel mit einem Kohleausstiegs-Gesetz durchzusetzen. Das verschafft letztlich auch den Kraftwerksbetreibern Planungssicherheit. Zu beachten ist auch die Tatsache, dass der darniederliegende europäische Emissionshandel dem Klimaschutz derzeit überhaupt nicht nützt.

Für das Stromsparen fehlt ein Effizienzfonds

Der Klimaaktionsplan enthält auch Positives: So wird das Thema ‚Senkung des Energieverbrauchs‘ stärker auf die Agenda kommen. Der Vorschlag, der seit langem auch vom BUND vorgebracht wurde, besonders effiziente elektronische Geräte und wenig Strom verbrauchende Anlagen in der Industrie zu fördern, soll endlich umgesetzt werden. Für diese "Top-Runner"-Förderung ist jedoch auch ein eigener Fonds erforderlich, um vor allem bei kleinen und mittleren Betrieben entsprechende Initiativen auszulösen. Mehr Energie-Effizienz gehört zu den wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen, aber ehrgeizigeres Strom-Sparen hat derzeit kaum noch Konjunktur, da fehlt es vor allem auch in der Industrie. Das Beispiel Japan zeigt, dass der Energieverbrauch schon ohne größere Anstrengungen um bis zu 20 Prozent reduziert werden kann.

Das Positivste am Klimaaktionsplan ist, dass - sicher dem Handlungsdruck geschuldet - mehr Klimaschutz endlich auch in andere Bereiche als den Stromsektor einziehen soll. Jedoch reichen die in anderen Bereichen vorgeschlagenen Maßnahmen bei weitem nicht aus, um die enormen Klimaschutzpotentiale außerhalb der Energiegewinnung auszuschöpfen. So sind zum Beispiel die jetzt angekündigten Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase im Verkehr noch zu zögerlich. In unseren Augen sind Tempolimits für PKW und die Streichung der Steuerprivilegien für Firmenwagen längst überfällig. Und statt einer ‚Maut für Ausländer‘ müsste die Maut für LKW flächendeckend erhoben werden, um den Ausweichverkehr auf Landstraßen zu verteuern und die Verlagerung von Transporten auf die Schiene und auf Schiffe anzureizen.

Selbst im Agrarsektor gibt es zusätzliche nutzbare Potentiale für mehr Klimaschutz. Deren Mobilisierung scheitert meist am Widerstand der Agrarlobby. Der Klimaaktionsplan benennt zwar die Notwendigkeit einer bodengebundenen Tierhaltung und einer angepassten Düngung, leider wird jedoch völlig offengelassen, wie diese Punkte umgesetzt werden sollen.

Opens external link in new windowOlaf Tschimpke
Präsident des Naturschutzbund Deutschland (NABU) und stellvertretender Vorsitzender des Nachhaltigkeitsrats: „Die Lücke zum Klimaschutzziel wurde kleingerechnet“

Der NABU begrüßt das vom Bundeskabinett am 3. Dezember verabschiedete Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und den Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE)  grundsätzlich, sieht aber erhebliche Defizite in einzelnen Sektoren.

Damit Deutschland tatsächlich sein Ziel einer 40-prozentigen CO2-Reduktion bis 2020 erreichen kann, muss das Maßnahmenpaket in wesentlichen Punkten nachgebessert und konkretisiert werden. Dazu gehört, dass die Bundesregierung, allen voran das Bundeswirtschaftsministerium, mehr Ambition, Verbindlichkeit und Entschlossenheit zeigen muss. Entgegen den vorherigen Entwürfen wurde die Lücke zum Klimaschutzziel klein gerechnet. Waren vorher noch bis zu 100 Millionen Tonnen CO2-Minderung bis 2020 im Gespräch, sind es jetzt nur noch zwischen 62 und 82 Millionen Tonnen. Ob diese überhaupt erreicht werden, bleibt fraglich. Statt Hätte-Könnte-Sollte-Programmen müssen zumindest sämtliche CO2-Einsparmaßnahmen, die nun auf dem Tisch liegen, zügig und verbindlich umgesetzt werden.

Abgaben im Verkehrssektor müssten steigen

Vor allem die Verzögerung des Bundeswirtschaftsministeriums zur schrittweisen Abschaltung ineffizienter Kohlekraftwerke ist klima- und energiepolitisch nicht nachvollziehbar. Gerade jetzt, wo Eon und Vattenfall angekündigt haben, sich von ihren Atom- und Kohlegeschäften zu trennen oder diese auszugliedern, muss der Druck auf die Energieunternehmen, an einer erneuerbaren und naturverträglichen Welt von morgen zu bauen, steigen. Mit der im Aktionsprogramm vereinbarten Zielvorgabe von 22 Millionen Tonnen für die emissionsreiche Stromerzeugung werden aber höchstens ein Viertel der notwendigen 100 Millionen Tonnen CO2-Einsparung bis 2020 erreicht.

Im Verkehrssektor fehlen entscheidende Vorgaben wie die Einführung der Mehrwertsteuer auf internationalen Flügen oder eine Reform der Dienstwagenbesteuerung. Auch eine Anhebung der Energiesteuer auf Kraftstoffe ist überfällig und gegenüber einer verkorksten Pkw-Maut das fairere und wirkungsvollere Instrument. Der zweitwichtigste Klimatreiber nach CO2, die Rußpartikel, findet mit keinem Wort Erwähnung.

Auf die Effizienzwende wartet der NABU ebenfalls weiterhin vergeblich. Obwohl alle wissen, dass ohne den Gebäudesektor keine Energiewende zu machen ist, bleibt der NAPE weit hinter seinen Möglichkeiten. Steueranreize, die immer noch von der Zustimmung der Länder abhängen, und ein wenig mehr Information sind zu wenig, den schlafenden Riesen Energieeffizienz endlich zu wecken.

Quelle: „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, Opens external link in new windowwww.nachhaltigkeitsrat.de