Sie befinden sich hier:
Startseite->Artikel->Drogeriemärkte wehren sich gegen Müll-Kampagne des Naturschutzbundes (NABU): „Strippenzieher des DSD“

Drogeriemärkte wehren sich gegen Müll-Kampagne des Naturschutzbundes (NABU): „Strippenzieher des DSD“

Der Naturschutzbund (NABU) hat in Berlin gegen die Selbstentsorgungskonzepte für Verpackungsabfall protestiert und vor allen Dingen die Drogeriemärkte ins Zentrum der Angriffe gerückt: Angeblich bezahlten Firmen wie dm oder Rossmann nichts für die Verwertung und seien deshalb „Recyclingpreller“: Die Reaktionen in der Wirtschaft fielen entsprechend heftig aus: NABU sei ein Steigbügelhalter und Strippenzieher des Grünen Punkt-Müllkonzerns DSD, heißt in der Drogeriebranche. Der Verband erhalte seit Jahren finanzielle Zuwendungen des Kölner Abfallsammlers.

Um die Umwelt oder die haushaltsnahe Sammlung gehe es der Umweltorganisation wohl nicht, zumal das Volumen der Selbstentsorger, die Verpackungen im Laden zurücknehmen, weit unter fünf Prozent liege. Stephan-Thomas Klose, Sprecher der Rossmann-Drogeriekette wirft den vermeintlichen Umweltaktivisten „Verbrauchertäuschung“ vor und bezeichnet sie als „Handlanger des DSD“. „Hintergrund ist der Vorwurf des NABU gegenüber Rossmann, durch eine so genannte Selbstentsorgerlösung Kosten für die haushaltsnahe Sammlung von Verpackungen zu vermeiden und auf die Allgemeinheit abzuwälzen — eine Argumentation, die sich passgenau in die regelmäßig aufflammenden Sperrfeuer aus der DSD-Zentrale in Richtung der Selbstentsorger einfügt. Bereits zum 15. Geburtstag des DSD-Müllkonzerns im vergangenen September beweihräucherte NABU-Geschäftsführer Miller das DSD mit Lobeshymnen und sparte nicht mit Giftpfeilen auf die Konkurrenten des Grünen Punktes: ‚Die so genannten Selbstentsorger geben vor, Verpackungen an der Verkaufsstelle zurücknehmen zu wollen. Verbraucher, die das Recycling der Verpackungen beim Kauf bereits mit bezahlt haben, fühlen sich jedoch getäuscht, weil Selbstentsorger den Grünen Punkt benutzen, sich aber nicht an den Kosten der haushaltsnahen Wertstoffsammlung beteiligen, in die ihre Verpackungen gelangen.’ Diese Argumentation hat Methode und zeigt, dass es dem NABU wohl nicht um den Schutz von Ressourcen oder die Wiederverwertung von Verpackungsmüll geht. Vielmehr lässt sich der auch durch staatliche Zuwendungen finanzierte Verband instrumentalisieren und gezielt vor einen Unternehmenskarren mit handfesten wirtschaftlichen Interessen spannen“, kritisiert der Wirtschaftsjournalist Andreas Schultheis.

Schon die Verwendung des Begriffes „Recyclingpreller“ passe haargenau zur Kampagne der Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU), eine Interessenvertretung der Wirtschaft, die zu den Geburtshelfern des Grünen Punktes gezählt werde. Merkwürdig sei die Synchronisierung der Aktionen, die über eine Novelle der Verpackungsverordnung die Sammlung über Gelbe Tonnen und Säcke festschreiben wollen.

„Es geht um ein Marktvolumen in Milliardenhöhe. Wer da seine Trümpfe eines Monopols ausspielen kann, dem werden Wettbewerbsgedanken immer fern bleiben. Wer bislang geglaubt hatte, die deutsche Abfallwirtschaft sei unübersichtlich, überbürokratisiert und kompliziert, der irrte keinesfalls. Dazu tragen Verpackungsverordnung und deren Novellierungen, Europäische Verpackungsrichtlinie, Kreislaufwirtschaftsgesetz und Vorgaben der Europäischen Union bei. Und während unter anderem Die Welt in diesen Tagen mutmaßt, dem gelben Sack könne es aufgrund hochleistungsfähiger und kostengünstiger Sortieranlagen an den Kragen gehen, freut man sich beim DSD-Müllkonzern über die Pläne des Bundesumweltministeriums, gegen die Selbstentsorger und vom DSD so bezeichneten Trittbrettfahrer durch eine Novellierung der Verpackungsverordnung vorzugehen“, führt Schultheis weiter aus.

Zuteilungswirtschaft mache sich breit. Dabei lautete der Auftrag der Umweltministerkonferenz der Länder Ende 2005, für Fairness in den Wettbewerbsbedingungen zwischen den Selbstentsorgern und den dualen Systemen zu sorgen. Das hatte bereits die Novelle der Verpackungsverordnung im Jahr 1998 gefordert. Fachleute verweisen ohnehin die Kampagne von DSD und Co., die die haushaltsnahe Entsorgung durch die Selbstentsorger vor dem Kollaps sieht, ins Reich der Fabel. Bestätigt wurde diese Ansicht vom BMU-Beamten Thomas Rummler: „Die Selbstentsorger haben einen derart geringen Anteil, dass dadurch die haushaltsnahe Sammlung nicht aus den Fugen geraten kann, sagte er noch auf dem letztjährigen Würzburger Verpackungsforum. Letztlich seien es die Selbstentsorger gewesen, die durch den von ihnen initiierten Wettbewerb zugunsten der Verbraucher dem Grünen Punkt erst Preissenkungen von über einer Milliarde Euro abgetrotzt hätten. „Es kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass beim Marktanteil der Selbstentsorger der Selbstentsorger von zirka fünf Prozent die haushaltsnahe Getrenntsammlung gefährdet werden könnte“, argumentiert Rossmann-Einkaufschef Klaus Prauß nach einem Bericht der Lebensmittel Zeitung. Auch das Fuldaer Handelsunternehmen Tegut kritisiert die Pläne des Bundesumweltministerium zur Verpackungsnovelle. Missbrauch und eine Gefährdung der haushaltsnahen Mülltrennung gehe nicht von den Selbstentsorgern aus, sondern von den Marktteilnehmern, die überhaupt nicht für die Verpackungsentsorgung bezahlen. Der Marktanteil von solchen ökologischen Schwarzfahrer liegt nach Expertenschätzungen in den unterschiedlichen Branchen zwischen 20 und 50 Prozent.

Der Entwurf für die Verpackungsnovelle aus dem Hause Gabriel gleiche nach Ansicht von Schultheis einer Rolle rückwärts, denn darin werden die Selbstentsorger komplett vom Wettbewerb ausgeschlossen. Dabei habe erst Ende Juni der Bundesgerichtshof eine Klage des DSD abgewiesen, in der das frühere Non-Profi-Unternehmen den Mengenausgleich unter Selbstentsorgern infrage stellte. „Die Regelung habe nicht verlangt, dass jedes Mitglied der Gemeinschaft für sich die Erfüllung der geforderten Verwertungsquote nachweise. In der seit Januar 2006 geltenden Fassung der Verpackungsverordnung ist der Mengenausgleich nunmehr ausdrücklich zugelassen worden“, teilte die Pressestelle des BGH mit. Dagegen führt das DSD eine Stellungnahme der AGVU ins Feld, die das Verfahren des Mengenausgleichs infrage stellt. Die FAZ berichtet über die Untersuchung, „dass bei der Zertifizierung der Selbstentsorger lediglich die rechnerische Plausibilität der auf den Wiegescheinen angegebenen Abfallmengen überprüft werde, nicht aber welche Abfallarten gewogen wurden, welchen Ursprung diese haben und wie sie verwertet werden.“

Ausgearbeitet wurde die AGVU-Stellungnahme von der Osnabrücker Cyclos GmbH, die sich in ihrer Selbstdarstellung als „unabhängig und überparteilich“ ausweist. „Ihre Objektivität muss aber in Zweifel gezogen werden. Cyclos-Geschäftsführerin Agnes Bünemann war zwar noch bis Mitte der neunziger Jahre eine erbitterte DSD-Kritikerin, machte als Aktivistin beim Bund für Umwelt- und Naturschutz und Buchautorin Front gegen den Kölner Monopolisten. Seit ihr Unternehmen aber zu einer Arbeitsgemeinschaft gehört, die vom DSD mit der bundesweiten Prüfung der Mengenstromnachweise beauftragt wird, scheint ein Sinneswandel eingetreten“, so die Analyse von Schultheis. Studien, Stellungnahmen und Empfehlungen für den Gesetzgebungsprozess hätten stets einen DSD-Konkurrenz benachteiligenden Tenor. Ihre Rolle als unabhängige Expertin der Abfallwirtschaft könne sie gegenüber Brancheninsidern aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom DSD - man spricht von Aufträgen in Höhe von 500 000 Euro jährlich - längst nicht mehr spielen. „So wurde sie in einem Prozess wegen Müllbetrugs vom Landgericht Deggendorf als Sachverständige wegen ihrer DSD-Nähe abgelehnt“, weiß Schultheis.

Online-Nachrichtendienst NeueNachricht (www.ne-na.de)