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Fischereiexperten: Aquakulturen keine Lösung für überfischte Meere

Die weltweiten Fischbestände stehen unter höherem Druck als je zuvor: Nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO waren im Jahr 2008 rund 32 Prozent der Fischgründe überfischt. Stabil oder fast unberührt waren dagegen nur 15 Prozent der Bestände. Das geht aus dem Ende Januar von der FAO veröffentlichten Weltfischereireport hervor.

Eine Entlastung der globalen Fischbestände ist demnach nicht in Sicht. Seit 2006 hat der Anteil der überfischten Bestände sogar leicht zugenommen. Gleichzeitig wurden immer mehr Fische in Aquakulturen gezüchtet. 46 Prozent aller Fänge stammen laut FAO bereits aus Fischfarmen, die Branche verzeichnete zuletzt ein Wachstum von fast sieben Prozent im Jahr. Deutsche Fischereiexperten sehen das mit Sorge, weil Nachhaltigkeit auf den Fischfarmen heute oft noch keine Rolle spielt und die meisten Zuchtfische mit Fischmehl oder Fischöl gefüttert werden. Zudem ständen Futtereinsatz und der damit erzielte Fischertrag häufig in einem schlechten Verhältnis.

„Aquakulturen halten die marine Überfischung nicht auf, sie verschlimmern sie“, sagt der Fischereibiologe Rainer Froese vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Für ein Kilogramm Fisch aus Aquakulturen, sagt er, müssten fünf Kilogramm Meeresfische verfüttert werden. Das sei „alles andere als effizient“. Laut Froese werden inzwischen 30 bis 40 Prozent der weltweiten Fänge direkt für die Fütterung der Zuchtfische verbraucht. „Wenn wir diese Fänge nicht mehr zu Fischmehl verarbeiten, haben wir sofort mehr Fisch für den menschlichen Konsum“. Dass Aquakulturen die menschliche Ernährung gewährleisten können, glaubt er nicht. Sinnvoller sei, die unter Druck geratenen Bestände wieder aufzubauen. „Die Fangmenge könnte dadurch mittelfristig um ein Viertel steigen“, so Froese. Das funktioniere aber nur mit einem vernünftigen Fischereimanagement und niedrigeren Fangquoten. In der Europäischen Union seien sie noch zu hoch. Besser machten das die USA. Dort sei gesetzlich festgeschrieben, dass nicht mehr Fisch gefangen werden darf als geboren wird.

Auch die Umweltstiftung WWF fordert, den Zustand der Fischbestände in den Meeren zu verbessern, statt auf den Ausbau von Aquakulturen zu setzen. Zwar sei nicht jede Fischzucht per se schlecht, so WWF-Fischereiexpertin Karoline Schacht. Ein großes Problem sei aber, dass viele Fischfarmen in Ländern mit lascher Umweltgesetzgebung aufgebaut würden und globale Nachhaltigkeitsstandards für Aquakulturen fehlten. Die Meeresbiologin sagt, dadurch seien schon „ganze Ökosysteme zerstört“ worden. Vor den Küsten Chiles etwa seien innerhalb kürzester Zeit zahllose Lachsfarmen entstanden. Ihre Betreiber hätten sich oft um Nachhaltigkeit nicht geschert, große Küstenstreifen seien nun voller Fäkalien und überdüngt. „Da lebt nichts mehr“, so Schacht, und das chilenische Beispiel sei kein Einzelfall. Sie fordert, den weiteren Ausbau von Fischfarmen an Nachhaltigkeitskriterien zu knüpfen.

Gemeinsam mit Unternehmen aus der Fischzuchtbranche, Wissenschaftlern und Regierungsvertretern entwickelt der WWF derzeit solche Kriterien. Ziel ist ein Nachhaltigkeitssiegel für Zuchtfisch, der Aquaculture Stewardship Council (ASC). „Verbraucher werden das ASC-Siegel im Laufe des Jahres 2011 erstmals in den Supermärkten finden“, verspricht Schacht. Welche Fische Verbraucher noch guten Gewissens essen können, zeigt die Umweltstiftung auch in ihrem Einkaufsratgeber Fisch und Meeresfrüchte. Der WWF rät darin zum Kauf von Produkten mit dem Siegel des Marine Stewardship Council (MSC). Das MSC-Logo garantiert, dass der Fisch aus nachhaltiger Fischerei stammt. Auch Aquakulturprodukte mit dem Bio-Label sind laut WWF empfehlenswert. Der Rat für Nachhaltige Entwicklung empfiehlt Verbrauchern in seinem im vergangenen Herbst aktualisierten Einkaufsratgeber Der Nachhaltige Warenkorb — Einfach besser einkaufen zudem, an der Fischtheke den Fangort des Fisches nachzufragen, da manche Arten in bestimmten Regionen besonders von Überfischung bedroht sind.

Quelle: „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, www.nachhaltigkeitsrat.de