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Lässt sich das Aussterben des Cross-River-Gorillas noch verhindern?

Verteilt auf zehn Gebiete in Nigeria und Kamerun, auf steilen Hügeln mit kaum durchdringbarer Vegetation leben vermutlich die letzten 300 Cross-River-Gorillas. Sie gelten als die seltenste Gorilla-Unterart. Wilderei, Landwirtschaft, Vieh und illegaler Holzeinschlag gefährden ihren Bestand. Die deutsche Naturschutzorganisation Berggorilla & Regenwald Direkthilfe e.V. (B&RD) bemüht sich um die Erhaltung dieser stark vom Aussterben bedrohten Tierart.

In den braun gekennzeichneten Gebieten leben die vermutlich letzten 300 Cross-River Gorillas (Quelle: B&RD)

Vom Aussterben bedroht? B&RD bemüht sich um die Erhaltung des Lebensraumes der Cross-River-Gorillas in Nigeria und Kamerun (© Fotos: Jane Dewar)

Auf der Roten Liste bedrohter Tierarten: der Cross-River Gorilla

Der steile Anstieg erfordert Kondition. Rund drei Stunden ist Denise Nierentz, Schweizer Tierpflegerin und B&RD-Vorstandsmitglied, zum Rangerposten in Afi unterwegs. Afi, ein Naturschutzgebiet in Nigeria, liegt westlich vom Cross-River-Nationalpark. Im unwegsamen Gelände ist die Station Ausgangspunkt für die Arbeit der 23 Wildhüter. Dort übernachten die Ranger während ihrer 10-Tages-Aufenthalte, dort bewahren sie ihre Vorräte auf und von dort machen sie sich auf die Suche nach den seltenen Cross-River-Gorillas. Täglich müssen dann Gorillanester, Gorillakot oder auch die Tiere selbst lokalisiert werden. Verschiedene Teams sind an verschiedenen Stellen des Waldes unterwegs, sodass während eines bestimmten Zeitraums das gesamte Reservat abgesucht werden kann. Bei Hinweisen auf ein Vorkommen der Tiere wird die jeweilige Stelle mittels GPS erfasst. Im Anschluss an die Zählungen treffen sich die Leiter aller Teams, um ihre Ergebnisse zusammenzutragen und gemeinsam eine realistische Schätzung der vorhandenen Population machen zu können. Nicht nur die Anzahl der Tiere, sondern auch einiges über deren Sozialstruktur lässt sich so ermitteln. Nach neuesten Zählungen Anfang 2006 leben rund 30 Gorillas im Gebiet des Afi-Reservats. Ähnlich kleine Populationen dieser seltenen Gorilla-Unterart leben verstreut in neun weiteren kleinen Enklaven in Nigeria und Kamerun. Die einzelnen Cross-River-Gorilla-Gruppen sind stark isoliert und das ist eines der großen Probleme bei der Sicherung ihrer Zukunft.

Anfang des Jahres bereiste Denise Nierentz den Osten Nigerias, um sich persönlich ein Bild über die augenblickliche Situation in dem Naturschutzgebiet des Cross-River-Nationalparks zu machen und laufende Projekte zu besichtigen. "Nigeria ist ein Land, in dem sich die Situation vor Ort schnell ändern kann. Wir bringen unsere Unterstützung dorthin, wo sie dringend benötigt wird. Wir springen bei Bedarf unbürokratisch ein. Aber genau deshalb sind zuverlässige Kontaktpersonen in den Projekten für B&RD absolut unerlässlich", erläutert Denise Nierentz das Vorgehen der deutschen Naturschutzorganisation. "Wir fahren auch selber hin, um sicherzustellen, dass die Hilfe wirklich dort ankommt, wo sie ankommen soll." Hauptinformationsquelle für B&RD über das Cross-River-Gorilla-Gebiet ist Andrew Dunn. Mit ihm hat sich die Schweizerin während ihres Nigeria-Aufenthalts getroffen. Andrew Dunn arbeitet seit 1989 für Schutzprojekte in Afrika. Er verbringt viel Zeit im Feld, koordiniert Zählungen und bespricht mit den jeweils zuständigen Parkbehörden neue Projekte und deren Finanzierung. "Andy hat wirklich unglaublich viel zu tun und ich habe keine Ahnung, wie er das alles schafft - und dabei noch bei guter Laune bleibt. Er hat da wohl ein spezielles Gen!" Denise Nierentz ist voller Lob über den Naturschützer. "Er informiert B&RD zuverlässig und regelmäßig."

Ein weiterer Rangerposten bedeutet Schutz für die Gorillas

Mit relativ wenig Aufwand ließe sich schnell viel erreichen. Denise Nierentz: "Die beiden Teilgebiete Afi und Mbe sind durch eine Straße voneinander getrennt. Könnte eine Verbindung der beiden Gebiete gebaut werden, wäre schon ein wichtiger Schritt getan, um einen Gen-Austausch dieser beiden Cross-River-Gorilla-Populationen zu ermöglichen und somit Inzucht zu vermeiden."

Die Erfahrung in anderen Naturschutzparks zeigt, dass auch die Präsenz von Wildhütern und Wissenschaftlern zu einem gewissen Grad zum Schutz der Tiere beitragen kann. B&RD und WWF wollen deshalb einen weiteren Rangerposten neben Afi in dem zerklüfteten Gebiet erstellen lassen. Andrew Dunn zog bereits Erkundigungen nach einem geeigneten Platz ein, der nicht gerade auf einem Wechsel von Tieren liegen sollte, dafür aber über eine nahe gelegene Wasserstelle verfügen und auf einigermaßen ebenem Gelände sein sollte. Die neue Station ist für Bumaji im nördlichsten Zipfel des Cross-River-Nationalparks geplant. Zahlreiche Dörfer liegen im Nationalpark und ihre Bewohner greifen ab und zu zum Jagdgewehr. Erst vor wenigen Monaten wurden in der Region um Bumaji mehrere Schimpansen gewildert. Da dort auch Gorillas vorkommen, sind sie derselben Gefahr ausgesetzt. Nun müssen also Geld und Material für die neue Station beschafft und anschließend an Ort und Stelle gebracht werden. Ein nicht unerheblicher logistischer Aufwand in diesem afrikanischen Landstrich mit geringer Infrastruktur und ausreichender Bürokratie. Darüber hinaus muss natürlich die Entlohnung der Arbeiter sichergestellt sein. Und während der fünfmonatigen Regenzeit verbieten sich Materialtransport und Bau. Ist der Rangerposten in Bumaji fertig gestellt, werden dort voraussichtlich elf Personen Arbeit finden.

Im Licht der Öffentlichkeit wirken Gesetze

Andrew Dunn organisierte im April für Wildlife Conservation Society (WCS) und Nigerian Conservation Foundation (NCF) ein Treffen, an dem staatliche Vertreter aus Kamerun und Nigeria teilnahmen sowie Fachleute nationaler und internationaler Naturschutzorganisationen. Man einigte sich auf folgende Aktionen zum Schutz der Cross-River-Gorillas: 1. Feldstudium und Forschung, 2. Einrichtung grenzüberschreitender Schutzgebiete, 3. Gorillaschutz und Ökotourismus und 4. Beteiligung der Bevölkerung an den Schutzmaßnahmen.

Es ist wichtig, dass den Verantwortlichen in Nigeria und Kamerun klar ist, dass sie im Licht internationaler Öffentlichkeit stehen. Nur dann fließen Spendengelder in die afrikanischen Naturschutzprojekte und - manchmal erst dann - lassen sich auch die Parkgesetze effizienter durchsetzen und Wilderer inhaftieren. Olusegun Obasanjo, der Präsident von Nigeria, ist sich der Bedeutung des Natur- und Tierschutzes für sein Land bewusst, denn eine zerstörte Umwelt hätte eine noch größere Armut zur Folge. Und Donald Duke, Gouverneur des Cross River State, will den Cross-River-Nationalpark für Touristen erschließen und zu einer Einkommensquelle für sein Land machen. Die Parkanrainer könnten als Guides arbeiten oder sie könnten eigene Handarbeiten an die Touristen verkaufen. Fauna and Flora International (FFI), die britische Naturschutzorganisation unter Vorsitz des Dokumentarfilmers David Attenborough, prüft derzeit mittels einer Studie, welche Konsequenzen der Gorillatourismus für Afi hätte.

300 Tiere könnten das Überleben der Art sichern

Lohnt bei einer so geringen Zahl an Tieren überhaupt noch der Versuch, diese Art vor dem Aussterben zu retten? Denise Nierentz: "300 Tiere sind sicherlich eine genügend große Anzahl, um unter optimalen Bedingungen das Überleben der Art zu sichern. Allerdings müssen diese Tiere zuverlässig geschützt werden und ein Austausch zwischen den Populationen sollte gewährleistet sein. Eine neue Feldstudie des Genetikers Rich Bergl und seines Teams weist anhand genetischer Daten nach, dass die Tiere der verschiedenen Gorillapopulationen in der Tat zwischen den Enklaven migrieren. Auf Satellitenbildern sieht man Korridore und außerdem möglicherweise weiteren geeigneten, bisher nicht bewohnten Lebensraum für die Cross-River-Gorillas. Ein wichtiger Schritt ist auch die geplante engere Zusammenarbeit zwischen Kamerun und Nigeria zum Schutz der betreffenden Gebiete." Es gibt also berechtigte Hoffnung für das Überleben der Cross-River-Gorillas.

Über Berggorilla & Regenwald Direkthilfe e.V.
Berggorilla & Regenwald Direkthilfe e.V. wurde 1984 gegründet und widmet sich dem Schutz der Berggorillas und ihrer Lebensräume durch gezielte Projektförderung, Forschung und Information.
Unser Augenmerk gilt dem Überleben der Östlichen Gorillas (Gorilla beringei) in Ruanda, Uganda und im Kongo. Wir liefern Ausrüstungsgegenstände an die örtlichen Wildhüter und helfen bei der Markierung von Nationalparkgrenzen. Um den Lebensraum der Gorillas zu erhalten oder zu erweitern, fördern wir z.B. die Aufforstung mit heimischen Baumarten. Wir stellen Geldmittel zur Verfügung, um die einheimische Bevölkerung über die Folgen der Abholzung und die Bedeutung der Schutzgebiete zu informieren. Gemeinsam mit internationalen Organisationen investieren wir in Forschungsprojekte vor allem einheimischer Wissenschaftler. In Deutschland berichten wir in Vorträgen, auf Ausstellungen und unter www.berggorilla.org über den Gorillaschutz und die Situation in den Ländern. Unsere Mitgliederzeitschrift "Gorilla-Journal" erscheint zweimal jährlich in Deutsch, Englisch und Französisch. Die Arbeit des Vereins finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Berggorilla & Regenwald Direkthilfe ist als gemeinnützige Organisation durch das Finanzamt Mülheim/Ruhr anerkannt.

Der Cross-River-Gorilla, Gorilla gorilla diehli, wird auf der Roten Liste bedrohter Tierarten als äußerst gefährdet geführt. Cross-River-Gorillas unterscheiden sich von den westlichen Flachlandgorillas durch Aussehen, Genom und das Vorkommen, welches weiter im Westen als auch weiter im Norden liegt als das aller anderen Gorillas. Mit vermutlich nicht mehr als 300 frei lebenden Tieren, verteilt auf verschiedene Enklaven von insgesamt rund 3000 km2 in Nigeria und Kamerun, wird diese seltene Gorilla-Unterart bedroht durch den Verlust ihres Lebensraumes, ausgelöst durch ein rapides Bevölkerungswachstum, und v.a. durch Wilderei.