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Bioplastik und die ökologische Eulenspiegelei: Staat fördert Recyclingpreller - Kompostierbare Verpackungen bieten keine Umweltvorteile

Die fünfte Novelle der Verpackungsverordnung sollte eigentlich mit der Recyclingprellerei aufräumen. Das ist nur zum Teil gelungen. In der vom Bundestag abgesegneten Regelung, die im nächsten Jahr in Kraft tritt, sind lukrative Ausnahmetatbestände vorgesehen, die zu neuen politischen und juristischen Gefechten führen dürften.

Bonn/Berlin/Wien - „Online-Nachrichtendienst NeueNachricht“ (www.ne-na.de)

So sind Kunststoffverpackungen, die man aus biologisch abbaubaren Werkstoffen (BAW) herstellt, von Rücknahme- und Verwertungspflichten bis zum 31. Dezember 2012 befreit. Lizenzentgelte für den Grünen Punkt müssen nicht gezahlt werden. BAW-Getränkeflaschen werden ohne ökobilanziellen Nachweis wie Mehrwegsysteme eingestuft und bis 2010 vom umstrittenen Dosenpfand befreit.

In der Wirtschaft ruft das Widerstände hervor: „Man klebt sich das Etikett ‚Bio’ auf die Verpackung, baut sich ein ‚Premium-Image’ für Klimaschutz auf und bleibt von den Entsorgungskosten des Grünen Punktes verschont. Das ist doch ökologische Eulenspiegelei. Reine Biokunststoffe haben in der Regel unerwünschte Eigenschaften. Sie sind leicht entflammbar und sehr reaktionsfreudig mit Wasser. Deshalb werden sie mit weiteren Polymeren und Zusatzstoffen kombiniert. Um sie formbar zu machen, setzt man Weichmacher und Plastifizierungsmittel wie Sorbit oder Glycerin ein. Eine wasserabweisende Wirkung entsteht durch die Zugabe von Polymeren wie Polyester. Wie soll denn dieser Cocktail umweltschonend abgebaut werden? Es ist daher kein Wunder, wenn die Bioplastik-Lobby den kostspieligen Aufbau von Sortier- und Recyclingsystemen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt. So etwas darf der Staat allerdings nicht alimentieren“, so der Einwand eines Entsorgers.

Wissenschaftlich unseriös ist nach Expertenmeinung auch die Behauptung, dass durch die Verwendung von BAW-Verpackungen kein Treibhauseffekt entsteht, da nachwachsende Rohstoffe durch Sonnenlicht aus Wasser und Kohlendioxid ständig neu gebildet werden: „Ich halte wenig von der Einschätzung, dass durch die Verwendung von biologisch abbaubaren Kunststoffverpackungen kein Treibhauseffekt entstehe und diese Verpackungen CO²-neutral seien. Um die tatsächliche Umweltbelastung einer Verpackung festzustellen, müssen alle relevanten Umweltauswirkungen entlang des gesamten Lebensweges vom Abbau der Rohstoffe - inklusive Hilfsstoffe und Energieträger, über die Transportwege bis hin zur Entsorgung betrachtet werden. Es dürfen also nicht nur einzelne Emissionen wie Kohlendioxid für einzelne Abschnitte des Lebensweges berechnet werden“, so Christian Pladerer vom österreichischen Ökologie Institut

Die rohstoff- und energieintensive industrielle Agrarwirtschaft und Verpackungsherstellung sowie die von den BAW-Herstellern empfohlene Kompostierung seien Aktivitäten, die umweltschädliche Emissionen verursachen. „Aus meiner Sicht sind somit BAW-Verpackungen keinesfalls CO²-neutral“, meint Pladerer. Die Möglichkeit der Kompostierung bringe keine Umweltvorteile und sei in der Praxis nur schwer umsetzbar. „Die privaten und kommunalen Kompostwerke in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz, die Kompost mit hoher Qualität herstellen, sind wenig begeistert von der Diskussion über ‚kompostierbare’ Kunststoffe. Ziel der Kompostierung ist der möglichst rasche und verlustarme Abbau der organischen Ursprungssubstanzen und gleichzeitig der Aufbau stabiler, pflanzenverträglicher Humussubstanzen. Dass ein Werkstoff biologisch abbaubar ist, bedeutet noch lange nicht, dass diese Umwandlung in einem Rotteprozess der technischen Kompostierung tatsächlich im gewünschten Ausmaß erfolgt“, erläutert Pladerer.
 
Es fehle an der Glaubwürdigkeit, dass biologisch abbaubare Kunststoffe auch kompostierfähig seien. „Zudem werden BAW-Verpackungen wie herkömmliche Kunststoffverpackungen von automatischen und mechanischen Sortierschritten erkannt und als Fremdstoff aussortiert. Dies gilt nicht nur für die Kompostierung, sondern auch für Biogasanlagen“, weiß Pladerer. Da bleibe nur die Müllverbrennungsanlage als einzige derzeit praktikable Entsorgungsschiene übrig. Aus ökologischer Sicht sei es daher nicht nachvollziehbar, biologisch abbaubare Verpackungen von Entsorgungspflichten frei zu stellen. 

Die Werbebehauptung der Bioplastik-Industrie hält der Bonner Wirtschaftsanwalt Markus Mingers sogar für irreführend. „Es entsteht bei den Kunden der Eindruck, dass durch die Verwendung von biologisch-abbaubaren Verpackungen kein Treibhauseffekt entsteht und daher die Hersteller Angebote haben, mit denen kein Mitbewerber mithalten könne. Diese Werbung ist nach Art und Umfang geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber spürbar zu verfälschen. Daher wären Mitbewerber befugt, eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung gegen die Hersteller von Bioplastik geltend zu machen“, resümiert Mingers.