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Biosprit-Euphorie im Südsee-Paradies

Keine Weltregion ist so stark bedroht von der Globalen Erwärmung und dem Anstieg des Meeresspiegels, wie die Inselwelt des Pazifiks. Mit Recht rufen deshalb seit Jahren die Regierungen dieser Inselstaaten die Welt auf, den Klimawandel zu bekämpfen. Doch nun setzen etliche Pazifikstaaten wie Fidschi, Papua Neuguinea oder Vanuatu auf das falsche Pferd namens Biotreibstoff und schaufeln sich damit selbst ihr nasses Grab.

Denn Biotreibstoffe wie Ethanol oder Biodiesel aus Energiepflanzen wie Zuckerrohr, Sojabohnen oder Ölpalmen erhöhen eher den Treibhauseffekt, als dass sie ihn reduzieren könnten. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler wie die Forscher Tadeusz W. Patzek und Miguel A. Altieri von der University of California in Berkeley. Beispielsweise benötige die Herstellung von Mais-Alkohol bis zu 29 Prozent mehr fossile Treibstoffe und die Produktion von Soja-Biodiesel bis zu 27 Prozent mehr fossile Treibstoffe, als durch ihren Einsatz eingespart würden.

Auch der aktuelle Biotreibstoff-Bericht der internationalen Nichtregierungsorganisation GRAIN, die sich seit über 15 Jahren der Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft global verschrieben hat, sieht keinen Klimaschutzeffekt in den Biotreibstoffen: „Als Rechtfertigung für großflächige Monokulturen von Agrotreibstoffen wird die Notwendigkeit zur Bekämpfung des Klimawandels angeführt, aber die Fakten machen dieses Argument zu einem Hohn“, so GRAIN: In Wirklichkeit verschlimmerten die Biotreibstoffe die Globalen Klimawandel, vor allem, wenn für den Anbau der Energiepflanzen Wälder gerodet oder Moorflächen trocken gelegt werden. Außerdem werde bei den CO2-Bilanzen oft vergessen, dass eine der Hauptursachen der globalen Erwärmung die industrielle Landwirtschaft selbst ist - vor allem durch den Einsatz von Kunstdünger, der riesige Mengen des Treibhausgases Stickstoffdioxid (Lachgas) in die Atmosphäre abgibt.

Unabhängig davon entwickelt die Regierung Papua-Neuguineas gerade eine Strategie, um das Land zum Hauptbiotreibstoffproduzenten zu entwickeln und setzt dabei auf ausländische Investoren wie zum Beispiel den US-Agrarkonzern Cargill, der derzeit große Summen in Ölpalmplantagen- und Palmölfabriken auf Neuguinea steckt. Ebenso steht die Förderung dieser Treibstoffe auf der Prioritätenliste der gegenwärtigen Fidschi-Interimsregierung ganz oben. "Biotreibstoffe sind umweltfreundlich und schaffen Arbeitsplätze in großem Maßstab", diktierte jüngst der Minister für Transport, Energie und Arbeit, Manu Korovulavula der Presse auf Fidschi. Die Regierung habe deshalb bereits Abkommen mit Indien, Brasilien und Malaysia zum Aufbau einer Ethanol- und Palmölindustrie abgeschlossen. Der Präsident von Fidschis Industrie- und Handwerkskammer, Swani Maharaj, hofft auch, dass die Biotreibstoffe die Erdölabhängigkeit des Landes verringern werden. "Die steigenden Erdölpreise sind ein strenges Signal, damit Fidschi sofort Schritte zur Ethanolproduktion unternehmen muss." Maharaj setzt dabei auf finanzielle Hilfe von der Europaeischen Union, die einen Teil ihrer finanziellen Hilfe für die AKP-Staaten — ehemalige europäische Kolonien in den Regionen Asien, Karibik und Pazifik — von 220 Millionen Euro in die Förderung der Ethanolproduktion stecken wolle.

Angetrieben wird die pazifische Biotreibstoffbegeisterung vor allem von der Weltbank und der "Pacific Islands Applied Geoscience Commission" (SOPAC), die wiederum hauptsächlich von der Europäischen Union, Australien und den USA finanziert wird. SOPAC-Energieberater, Jan Cloin, sagte jüngst in einem Interview: "Wenn wir 50 % unserer Erdölimporte mit Biotreibstoffen wie Kokosöl und Ethanol ersetzen, dann können wir im schnitt unsere Importrechnung um 10 Prozent senken."

Der GRAIN-Report allerdings teilt auch diese optimistische Spekulation des SOPAC-Energieberaters nicht. GRAIN: „Viele so genannte Entwicklungsländer hoffen, dass sie durch den Anbau von Treibstoffpflanzen ihren eigenen Treibstoff bekommen und so ihre Abhängigkeit vom schwankenden Erdölpreis verringern können.“ Aber dies werde so nicht eintreffen. Denn wie im Fall von Erdöl wird der Preis der Biotreibstoffe letztlich nicht vom jeweils produzierenden Land bestimmt, sondern vom Weltmarkt. GRAIN: „Das Herkunftsland wird nur wenig Einfluss darauf haben, vor allem wenn der Besitz der gesamten Verwertungskette in der Hand von internationalen Konzernen liegt. Die Produktion von Agrartreibstoffen wird den einheimischen Populationen keinen billigen Treibstoff garantieren.“

Schließlich entkräftet der GRAIN-Report auch das von Banken, Investoren und Regierungen angeführte Argument, Biotreibstoffe würden Arbeitsplätze in den „Entwicklungsländern" schaffen. Man müsse nur, so GRAIN, eine der ländlichen, vom Biotreibstoffboom betroffenen Familien in Brasilien befragen. „Das jüngste Anwachsen der Zuckerrohr-, Soja- und Eukalyptusplantagen führte zur massenhaften Vertreibung von Kleinbauern von ihrem Land, oft mittels Gewalt. Zwischen 1985 und 1996 verloren 5,3 Millionen Menschen unter Zwang ihr Land, was zu einem Verlust von 941.000 kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betrieben führte.“ Ähnliches wird mit Sicherheit auch auf den Pazifikinseln, geschehen, wo die Mehrheit der Bevölkerung noch weitestgehend in Subsistenz, also von den eigenen, nachhaltig produzierten Nahrungsmitteln lebt. Doch diese nachhaltige Subsistenzwirtschaft sehen Weltbank und Regierungsberater in der Regel als „Rückständig“ und als ein „Entwicklungshindernis“ an, weshalb diese zu allererst den Treibstoffplantagen weichen müssen - im Austausch von wenigen, schlecht bezahlten und oft aufgrund der eingesetzten Pestizide gesundheitsschädlichen Plantagen-Arbeitsplätzen.

Im Schnitt, so GRAIN, benötigten ländliche Familien wie in Brasilien nur wenige Hektar Land zum Leben. Im Kontrast dazu stellten Plantagen, die Millionen von Hektar Land verbrauchen, kaum Arbeitsplätze bereit: je 100 Hektar Fläche schafft eine typische Eukalyptusplantage nur einen einzigen Arbeitsplatz, eine Soja-Farm zwei, eine Zuckerrohrplantage nur zehn Jobs.

Norbert Suchanek

Journalist und Autor
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