Bereits 44 Prozent des Regenwaldes von Rondônia in Westamazonien ist abgeholzt und unwiederbringlich verloren. Dabei begann die groß angelegte Umweltvernichtung in diesem westlichen Teil des brasilianischen Amazonasgebiets erst 1980 mit der von der Weltbank mitfinanzierten 1400 Kilometer langen Bundesstraße BR 364. Doch die Waldrodungsorgie geht in Rondônia auch heute weiter. Wie die vergangenen Juni veröffentlichte Studie der aus brasilianischen Forschungsinstitutionen und NGOs bestehenden Arbeitsgruppe Amazonien (Grupo de Trabalho Amazônico - GTA) "O fim da floresta? A Devastação das Unidades de Conservação e Terras IndÃgenas no Estado de Rondônia" nun zeigt, habe sich die Abholzungsrate zwischen August 2007 und April 2008 sogar noch um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Mitschuld seien die von der Regierung Luiz Inácio Lula da Silva vorangetriebenen Entwicklungsprojekte wie die Wasserkraftwerke Santo Antônio und Jiraú am Rio Madeira und die Asphaltierung der Bundestrasse BR-319, die das Regenwaldzerstörungsbusiness vorantreiben.
Der Bericht führt an, dass nicht einmal Naturschutzgebiete, die anerkannten Indianerreservate und die Sammlerreservate zur nachhaltigen Waldnutzung (Reserva Extrativista) vor den Abholzern sicher sind. So verlor das 1996 gegründete 205.000 Hektar große Sammlerreservat Jaci-Paraná bereits rund 20 Prozent, etwa 40.000 Hektar, seines Waldes. Das Regenwaldschutzgebiet Floresta Nacional Bom Futuro mit einer Fläche von einst 249,000 Hektaren wurde in den vergangenen zwanzig Jahren um über 82.000 Hektar Wald beraubt. Obwohl auf dem Papier streng geschützt entstanden - offensichtlich unter den Augen der Behörden - zehn Sägewerke innerhalb des Waldreservats.
Noch schlimmer wurde das Sammlerreservat Rio Preto-Jacundá heimgesucht. 1989 gegründet ist das einst rund eine Million Hektar große Reservat heute faktisch ausradiert. Es existiert nur noch auf weniger als 11 Prozent seiner eigentlichen Fläche. Vom "Landraub" betroffen sind auch die Gebiete der 29 bekannten indigenen Völkern Rondônias. Ob Uru-eu-wau-wau, Sete de Setembro, Cinta Larga oder Rio Branco ihre Reservate seien ständigen Angriffen von illegalen Abholzern und Diamantensuchern ausgesetzt.
Brasilien ist der weltgrößte Regenwaldvernichter
Doch nicht nur in Rondônia: In allen Regionen des brasilianischen Amazonasgebietes setzt sich die Rodung des Regenwaldes fort und zwar besonders auch in den Schutzgebieten. Laut einer neuen Auswertung von Satellitendaten erfolgten 22 Prozent aller Abholzungen des vergangenen Jahres illegal in Indianerreservaten und Naturschutzgebieten. Dies bestätigt die jüngst in den Proceedings of the National Academy of Sciences (http://www.pnas.org/) veröffentlichte Studie des US-amerikanischen Wissenschaftlers Matthew Hansen von der Universität von Süddakota, wonach Brasilien mit Abstand der weltweit größte Regenwaldvernichter ist. Zwischen 2000 und 2005 wurden hier jährlich 26.000 Quadratkilometer tropische Feuchtwälder abgeholzt. Brasilien sei damit verantwortlich für 47,8 Prozent der weltweiten Regenwaldzerstörung in diesem Zeitraum. Der auf Platz zwei liegende Staat Indonesien verzeichnete eine Abholzungsrate von 7.000 Quadratkilometern pro Jahr. Er holzte damit rund vier mal weniger als Brasilen ab und ist „nur“ für 12,8 Prozent der globalen Regenwaldvernichtung direkt verantwortlich.
Das brasilianische Umweltministerium allerdings zweifelt die Abholzungsraten der Universität von Süddakota an. Laut nationalem Weltraumforschungsinstitut INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais) habe die tatsächliche Regenwaldvernichtungsrate pro Jahr in diesem Zeitraum nur 21.450 Quadratkilometer betragen.
Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
Die Studie "O fim da Floresta?" ist nachzulesen unter:
"O FIM DA FLORESTA? - A Devastação das Unidades de Conservação e Terras
IndÃgenas no Estado de Rondônia", Grupo de Trabalho Amazônico - GTA,
Regional Rondônia, Junho de 2008 http://www.fase.org.br/_fase/pagina.php?id=2005
Grupo de Trabalho Amazônico - GTA http://www.gta.org.br/parceiros.php
Norbert Suchanek
Journalist und Autor
Internet: www.norbertsuchanek.org
E-Mail: norbert.suchanek(at)online.de