Das Naschseminar am 23. Juni bot viele Überraschungen, es warf aber auch Fragen auf. Wieso ist jemand, der Wildkräuter und Wildblumen für kulinarische Spezialitäten nutzt, möglicherweise ein guter Artenschützer? „Was man kennt und schätzt, was man nutzen kann, damit geht man sorgsam um!“ meint Annette Kretzschmar, die das kulinarische Erlebnis anbot. „Werden Wildkräuter vermehrt in den Gärten angepflanzt und genutzt, dann haben diese Pflanzen eine echte Chance zum Überleben.“
Kretzschmar wies damit auf das Artensterben hin, das viele der heimischen Wildpflanzen betrifft. Und natürlich die von den Pflanzen abhängigen Tiere. So seien rund 50 Prozent der Wildbienen von Aussterben bedroht. Ähnlich dramatisch sähe es mit vielen Schmetterlingsarten aus.
Artenschutz, das ist das bestimmende Thema des Arbeitskreises Naturnahes Grün. Die Ehrenamtlichen des Vereins haben den Naturschaugarten, in dem die Veranstaltung stattfand, mit viel Engagement verwirklicht. Und dafür zwei Naturschutzpreise erhalten. Kretzschmar und die anderen Arbeitskreismitglieder wollen zeigen, dass Naturgärten Orte sind, an denen man sich wohl fühlt, alle Sinne angesprochen werde, dass die Zimtrose die Nase und die Süße Mispel die Zunge verwöhnt. So einfach und erfrischend könne Natur- und Artenschutz sein, wenn Gärten und Grünflächen wieder Entfaltungsmöglichkeiten für die heimische Flora erhalten würden.
Das Naschseminar wurde somit zu einem Plädoyer für die Artenvielfalt. Der informative Schaugartenrundgang wurde mit Rosenblüten- oder Holundersirup versüßt. Der Duft der Wildrosen war ebenso Thema wie Große Königskerze, Thymian, Weinraute, Eberraute und Ysop und deren Würz- und Heilkräfte. Wiesenstorchschnabel mit ihren essbaren Blüten, Oregano-Dost, für Pizza, Tomaten- und Nudelgerichte und besonders leckeres Pesto fantastisch geeignet, Triebe der Wilden Möhre, feinwürzig und filigran, das alles wurde probiert und bestaunt.
Man verwende möglichst nur junge und zarte Blätter wilder Pflanzen in der Küche, zum Beispiel die von Taubnessel, Spitzwegerich, Löwenzahn, Schafgarbe und Gundelrebe, die alle auf dem Kräuterrasen zu finden sind. Spätestens nachdem die Besucher vom (vorbereiteten) Wiesenpesto probiert hatten, war wohl jedem bewusst, welche Bereicherung diese oft als Unkraut verschrienen Pflanzen in der Küche und eben auch im Garten sind.
Auch Taubnesselpesto mit Zitrusfrüchten und Rosenpesto konnten probiert werden. Am Beispiel dieser kleinen Köstlichkeiten erahnte man die Vielfalt an Geschmacksnuancen, die so ein Garten mit heimischen Wildpflanzen zu bieten hat. Begleitend servierte Kretzschmar allgemeine Tipps zur Verarbeitung und weiteren Verwendungsmöglichkeiten. Beispielsweise erfuhren die Teilnehmer, wie leicht sich ein Hustensirup aus Spitzwegerichblättern zubereiten lässt und kosteten dessen Knospen, die wunderbar nussig schmecken und beispielsweise leicht geröstet einen Salat krönen.
Die wunderschönen, rosa blühenden Moschusmalven, und den Beinwell, der in jeder Hinsicht den Garten bereichert, hatte Kretzschmar als Anschauungsmaterial mitgebracht. Auf beide Gewächse würde man in einem naturnahen Garten nicht verzichten. Natürlich muss man beachten, dass Beinwell leberschädigende Stoffe enthält und deshalb nicht im Übermaß gegessen werden sollte. Wie so oft mache auch hier die Dosis das Gift.
Annette Kretzschmar hat mehrere Bücher herausgebracht, die im Thorbecke Verlag erschienen sind: „Die Wildblumenküche“, „Die Wildfrüchteküche“, „Mein wunderschöner Genuss-Garten“
Infos zum Naturschaugarten Lindenmühle: www.naturschaugarten.de, Lokale AGENDA 21 Mainz, 0177 3143495,
naturnah(at)email.de