Einen Anfang soll eine gemeinsame Erklärung der höchsten Staatenvertreter am 3.12. machen - noch bevor die eigentliche 13. UN-Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt im mexikanischen Cancún beginnt. In Deutschland hat das Bundesumweltministerium dazu die so genannte Naturschutzoffensive gestartet. Wie man sich die Überzeugungsarbeit in der Bundespolitik vorstellt, erklärt Dr. Elsa Nickel, Abteilungsleiterin „Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung“ des BMUB im NeFo-Interview. Woran dies bisher scheiterte und was helfen würde, erklärt Politologe Dr. Norman Laws (Leuphana Universität Lüneburg).
Ein Machtwort der Kanzlerin forderte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Anfang November im Vorfeld der UN-Klimakonferenz, um endlich die Blockadehaltung ihrer Kollegen aus den klimaschutzrelevanten Politikressorts zu überwinden. Am Ende durfte Hendricks zwar ihren Klimaschutzplan in Marrakesch präsentieren, die schärfsten Zähne hatten ihm die zuständigen Minister für Industrie, Verkehr oder Landwirtschaft aber bereits gezogen. Diese Verläufe sind symptomatisch für die Umweltpolitik, und auch bei der am Wochenende beginnenden UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt wird der Widerstand der betroffenen Politikressorts stark zu spüren sein.
Deshalb hat die CBD dieses Problem nun zur Chefsache erklärt. Das so genannte High-Level Segment, das Treffen der höchsten Staatenvertreter, findet dieses Mal nicht wie üblich am Ende der Verhandlungen, sondern zwei Tage vor dem Start statt. Am Ende soll die so genannte Cancún-Erklärung mit Unterschriften jedes Mitgliedslandes und vor allem derer betroffenen Ministerien stehen. Darin soll man sich verpflichten, die Ziele der CBD (AICHI-Ziele) und die Implikationen für die jeweiligen Wirtschaftsfelder anzuerkennen und in der Politikgestaltung zu berücksichtigen.
Zeit wird es, denn schon 2020 laufen die AICHI-Ziele aus. Darin hatte man 2010 unter anderem versprochen, die gesamte Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft nachhaltig zu gestalten, unter anderem in dem man „perverse Subventionen“ abschaffen würde. Die Fortschrittsberichte der Mitgliedstaaten zeigen jedoch in fast allen Zielen bestenfalls einen zu langsamen Fortschritt, vielfach sogar negative Entwicklungen, gerade was die Abschaffung besagter Subventionen anbetrifft, aber auch den Gefährdungsstatus bedrohter Arten oder den Verlust von Wildnisgebieten.
Die Abschaffung sämtlicher umweltschädlicher EU-Agrarsubventionen hat sich auch das Bundesumweltministerium in seiner Naturschutzoffensive 2020 als Ziel gesetzt. Damit will das Ministerium die Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie von 2007 vorantreiben, da auch hier kaum Erfolge zu vermelden sind. Handlungsbedarf bestehe besonders in der Landwirtschaftspolitik, da hier die Indikatoren für den Verlust an Biodiversität am negativsten ausfielen, meint Dr. Elsa Nickel, Abteilungsleiterin „Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung“ des BMUB im NeFo-Interview. Wo man eigene Kompetenzen hätte, würde das Ministerium selbst Maßnahmen vorantreiben, wo andere Ressorts zuständig seien, würde man die Kollegen künftig bewusster „drängen“. Allerdings sind die Möglichkeiten hier offenbar begrenzt. „Der “große Wurf†ist selten gleich erreichbar. Meistens ist eine beharrliche Politik der kleinen Schritte nötig, für die wir viel Geduld brauchen“, meint Nickel.
Es wäre durchaus mehr möglich, meint hingegen Dr. Norman Laws von der Leuphana Universität Lüneburg. Für sein „Politikbarometer zur Biodiversität in Deutschland - Politische Vorfahrt für biologische Vielfalt“ von 2014 führte der Politologe zwischen 2009 und 2013 über 30 Interviews mit Biodiversitätsbeauftragten Mitarbeitern von 11 Bundesministerien. Sein Fazit: Dem Thema Biodiversität wird von den wenigsten Befragten eine nennenswerte politische Bedeutung beigemessen. Entsprechend fänden die bestehende interministerielle Arbeitsgruppe sowie die Personalbildung nicht ausreichend Unterstützung. Dies läge auch am mangelnden Engagement des Bundeskanzleramtes. Eine stärkere Nutzung der Richtlinienkompetenz sei hier notwendig, empfiehlt Laws in der Studie.
Mit einem Besuch von Angela Merkel in Cancún ist allerdings, ähnlich wie schon in Marrakech, nicht zu rechnen, auch wenn sie den Biodiversitätsverlust nach eigenen Aussagen als ähnlich schwerwiegendes Problem sieht wie den Klimawandel. Und ob die Cancún-Erklärung, sollte sie denn zustande kommen, die üblichen Widerstände reduzieren kann, wird sich in den zweiwöchigen Verhandlungen ab dem 4. Dezember zeigen.
NeFo-Mitarbeiterin Kristina Raab wird die Verläufe dort vor Ort beobachten und gemeinsam mit weiteren Expertinnen und Experten im
NeFo-Blog kommentieren.
Auf der NeFo-Webseite finden Sie Informationen über die wichtigsten Verhandlungsthemen und entsprechende NeFo-Faktenblätter.
Der NeFo-Faktenkoffer gibt eine Einführung in das Thema Biodiversität und fasst aktuelle Daten zusammen. Wir vermitteln Ihnen gerne wissenschaftliche Expertinnen und Experten zu den entsprechenden Themen.
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Netzwerk-Forum (NeFo) zur Biodiversitätsforschung Deutschland. Projekt zur inter- und transdisziplinären Vernetzung und Sichtbarmachung der Biodiversitätsforschung in Deutschland über Institutionsgrenzen hinweg. Es wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF und maßgeblich durchgeführt durch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig — UFZ sowie das Museum für Naturkunde Berlin (Leibniz-Gemeinschaft).