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Es lebe der Boden - wie Mensch und Tier gemeinsam Wüstenböden urbar machen

Er ist der wohl am unterschätzteste Lebensraum überhaupt. Der Boden ist die Grundlage für über 90 Prozent der globalen Lebensmittelproduktion, er speichert zehn Mal so viel Kohlenstoff wie alle Wälder zusammen, reinigt und speichert Wasser und enthält ganz nebenbei ein Viertel aller Arten. Genau die sorgen für die vielen Leistungen, die die Böden für uns erbringen. Wahrgenommen werden sie allerdings eher als Substrat für vielfältige, meist nicht-nachhaltige Nutzung, weshalb ihre Vielfalt und damit auch ihre Leistungsfähigkeit immer stärker abnimmt. Um die weltweite Bedeutung der Böden für das menschliche Wohlergehen in Zeiten stetig wachsender Bevölkerungszahlen deutlicher zu machen, findet vom 19. bis 23. April in Berlin die 3. Global Soil Week statt. Wissenschaft, Politik und andere Interessensgruppen tragen hier den aktuellen Forschungsstand und Lösungsansätze zusammen, die helfen sollen, die so genannten Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, die dieses Jahr die Millennium-Entwicklungsziele ablösen. Überraschend großes Potenzial haben dabei alternative traditionelle Ansätze, die das Leben im Boden nutzen statt zu bekämpfen. So können beispielsweise Termiten verödete Böden in weiten Teilen des Afrikanischen Kontinents wieder nutzbar machen.

Yacouba Sawadogo ist ein über 70 Jahre alter Bauer aus Burkina Faso. Während der extremen Dürren Anfang der 1980er Jahre, in der ein Großteil der Menschen aus der Sahelzone floh, hatte er eine Vision und vor allem Ausdauer: Er entwickelte eine traditionelle Methode weiter, mit der er völlig verödete steinharte Böden wieder fruchtbar machte. Er hackte Tausende kleiner Löcher in den Boden und füllte sie mir Kompost. Wo vor 30 Jahren nur Wüste war, stehen heute üppige Hirsefelder und ein artenreicher Wald, das Grundwasser stieg, die Brunnen füllten sich, die Menschen kamen zurück und kultivieren nach Yacoubas Methode die Böden. Ein Film machte den alten Bauern berühmt als „Der Mann, der die Wüste bezwang".

Dieses Wunder war das Ergebnis harter Arbeit, nicht nur von Menschen sondern auch einer Heerschar von Bodenorganismen, vor allem von Termiten. Die Biologin Dorkas Kaiser von der Universität Würzburg untersucht seit zehn Jahren, welchen Anteil diese Tiere an Yacoubas Wunder haben. Die Ergebnisse sind faszinierend. Die Termiten werden durch den Kompost in den Löchern angezogen und schichten den Boden daraufhin völlig um. Innerhalb weniger Jahre werden hier unglaubliche Massen an Erdreich transportiert, worauf der wenige Niederschlag in den Boden eindringen kann und Pflanzen wurzeln können. Das Ergebnis sind nutzbare Böden. Studien gehen davon aus, dass mit dieser Zaï-Methode große Teile Afrikas nutzbar gemacht werden könnten.

Weltweit sind durch nicht-nachhaltige Bewirtschaftung schätzungsweise 20 bis 25 Prozent aller Böden degradiert, und jedes Jahr kommen bis zu zehn Millionen Hektar, rund die Fläche Österreichs, hinzu. Wüchse die heutige Nachfrage nach Agrarprodukten unverändert weiter, müsste bis 2050 eine zusätzliche Agrarfläche irgendwo zwischen der Größe Indiens und Brasiliens erschlossen werden, schreibt Agrarreferentin Christine Chemnitz von der Böll-Stiftung im Bodenatlas.

In Europa sind es vor allem industrielle Produktionsmethoden unter Einsatz großer Mengen von Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln, die den Helfern im Boden zusetzen und damit dessen Leistungsfähigkeit kontinuierlich senken. Dazu kommt Erosion durch Wind und Regen durch fehlende Barrieren in der Landschaft. So hätten gesunde Böden in unseren Breiten eigentlich Humusgehalte zwischen 3,5 und 6 Prozent. Die meisten landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen enthalten jedoch lediglich ein bis zwei Prozent Humus, oft sogar weniger. Das macht sich auch am Ertrag bemerkbar.

Traditionelle Methoden nutzen in der Regel die Artenvielfalt statt sie zu bekämpfen. In der lokalen Bevölkerung aller Weltregionen schlummert ein Wissensschatz, der eine Vielzahl unserer heutigen Probleme einer nachhaltigen Ernährung lösen könnte. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) hat sich deshalb zur Aufgabe gemacht, traditionelles Wissen neben der klassischen Wissenschaft einzubeziehen, um den rapiden Verlust der biologischen Vielfalt und ihrer Leistungen, von denen die Menschen abhängen, zu stoppen. Diese sollen die politischen Entscheidungsträger in aller Welt auf einen einheitlichen aktuellen Wissensstand bringen, um dauerhafte und gerechte Lösungen der Nutzung zu schaffen.

Politische Entscheidungsträger werden bei der Global Soil Week in Berlin ebenfalls erwartet. Geplant ist hier vor allem, die Bedeutung der Böden auch in den so genannten Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals) der UNO zu verankern, die im kommenden September die Millennium Entwicklungsziele ablösen sollen. Diese enorm wichtige Ressource sei in den bisherigen Entwürfen schlicht nicht berücksichtigt, so die Veranstalter. Weiteres Highlight ist die Ankündigung eines Großforschungs- und Entwicklungsprojektes zur Bodenwiederherstellung in fünf Ländern (Burkina Faso, Benin, Kenia, Äthiopien und Indien).

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