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EU-finanzierte „US-Mastschweine“ aus Polen für deutsche Fleischtheken

Medien und Politiker haben ein neues Thema gefunden, um sich wieder profilieren zu können: Sozialdumping durch osteuropäische Billigarbeiter! Hunderte eingeschleuste Metzger aus Ungarn und Polen arbeiten zu Dumpinglöhnen und Vierzehnstundenschichten in unseren Schlachthöfen, während Tausende von deutschen Metzgern den Job verloren haben.

Solche Sprüche und Schlagzeilen von Boulevardpresse und populistischen Spitzenpolitikern lassen befürchten, dass ein neues Feindbild aufgebaut wird: der polnische, ungarische oder auch tschechische Metzger, der uns für einen Hungerlohn die so begehrten Arbeitsplätze in unseren Industrie-Schlachthöfen stiehlt. Doch die falsche Sau wird hier durchs Dorf getrieben. Was von den meisten Medien — ob Print oder TV — und Politikern nicht erwähnt wird: Die Metzger der neuen EU-Ländern sind auch bloß Opfer der von „unseren“ Spitzenpolitikern gerufenen „Heuschrecken“, die gestützt durch volkswirtschaftlich schwachsinnige EU-Gesetze und EU-Subventionen kaum noch zu bändigen sind.

Schrauben wir die Zeit ein paar Jährchen zurück, als Polen und Ungarn zwar noch nicht EU-Mitglied, aber schon EU-Kandidaten waren. Unsere östlichen Nachbarländer mussten die Vorraussetzungen für die Aufnahme in die Union schaffen und sich den EU-Gesetzen und EU-Standards unterwerfen, selbst wenn diese der eigenen Volkswirtschaft schadeten, Arbeitsplätze vernichteten und in erster Linie großen Investoren — auf Neudeutsch Heuschrecken — dienten. Dies trifft im Besonderen auf die EU-Hygienestandards für Molkereien und für Schlachthöfe zu.

Gerade die osteuropäischen Länder hatten trotz so mancher staatlicher Großbetriebe auch eine kleinräumige, vielfältige Landwirtschaft, zu der ebenso viele kleine Schlachthöfe gehörten. Sie sahen mit Sicherheit nicht so „geleckt“ und steril aus, wie unsere — nach dem regionalen Schlachthofsterben übrig gebliebenen - High-Tech-Schlachthäuser, doch gesundheitsschädlich waren sie mit Sicherheit nicht. Ansonsten wären die Menschen im Ostblock längst gestorben oder hätten zumindest eine deutlich höhere Kindersterblichkeit aufzuweisen, was aber tatsächlich im real existierenden Sozialismus nicht der Fall gewesen war. Trotzdem entsprechen sie nicht dem EU-Standard, also heißt es modernisieren oder einfach weg damit. Und das betrifft Tausende von Betrieben. So genügten nach offiziellen Angaben im Jahr 2003 beispielsweise nur 120 der insgesamt rund 4.000 fleischverarbeitenden Firmen in Polen den strengen EU-Vorschriften. In den anderen Ex-Ostblockstaaten sieht es nicht anders aus.

Aus Mangel an Investitionen schlossen so bereits Hunderte von Schlachthöfen ihre Pforten und weitere werden in den nächsten Monaten und Jahren folgen, wenn die letzte Galgenfrist abgelaufen ist. Natürlich verloren und verlieren dabei zahlreiche Metzger und Schlachter ihre Jobs am Heimatort, während neue Jobs nur noch in homöopathischen Mengen in den neuen oder modernisierten, supersterilen Riesenschlachthäusern nach EU-Standard geschaffen wurden.

Was damit im Ex-Ostblock ausgelöst wird, ist nun nicht nur eine größere Anzahl von früher unnötigen, längeren Tiertransporten, von mit Lastwagen verstopften Straßen, Luftverpestung, erhöhter CO2-Ausstoß: Es wurde und wird auch ein neues Heer von billigen und willigen, weil arbeitslos gewordenen Metzgern geschaffen. Und wohin damit? Nach Westen natürlich, wo ja schließlich auch die Billigschweine hin sollen. Arme Schweine, wie die von Smithfield, einem Großinvestor aus Virginia, der schon Ende der 1990er Jahre den fetten EU-Braten gerochen und in Polen in die Schweinezucht investiert hat, um dort riesige Mastanstalten aufzubauen.

Smithfield Foods ist mit rund 10 Milliarden US-Dollar Umsatz pro Jahr schon seit langem der größte Schweinefleischverarbeiter und Schweinemäster weltweit. Jährlich mästet er etwa 12 Millionen Schweine und verarbeitet 20 Millionen. Seine polnischen Tochterfirmen Animex und Prima Farms haben bereits über 30 große, ehemalige Staatsfarmen in Polen aufgekauft, die nach und nach in Schweinemästereien umgewandelt werden. Bei uns in Deutschland gelten Großbetriebe mit bis zu 1000 Schweinen bereits als Ausnahme. Smithfield-Betriebe allerdings fangen bei dieser Größenordung erst an. So hat das US-Unternehmen inzwischen mit freundlicher Unterstützung und einem 100-Millionen Dollar-Darlehen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in Polen 17 Schweinemastanstalten mit bis zu 30.000 Schweinen je Betrieb errichtet.

Das polnische "Grüne Netzwerk", das seit langem die Praktiken Smithfields in Polen dokumentiert und bekämpft, forderte erst November 2004 wieder die europäischen Entwicklungsbanken auf, diesen Konzern nicht weiterhin finanziell zu unterstützen. Smithfield sei schließlich schuld am Ruin zahlreicher kleiner Schweinezuchtbetriebe in Polen und verschmutze in massiver Weise die Umwelt inklusive der "Baltischen See", denn über zehntausend Schweine in engen Ställen bedeuten auch Tausende von Litern Abwasser täglich. Und Smithfield gilt selbst in den USA nicht gerade als umweltfreundliches Unternehmen.

Natürlich haben die Investitionen des US-Fleischgiganten und der EBRD in Polen ein paar Jobs geschaffen, aber noch viel mehr Menschen um Arbeit, Einkommen und Brot gebracht, was im neuliberalen Polen noch schlimmer ist, als bei uns. Beispielsweise erhalten nur etwa 15 Prozent von Polens rund drei Millionen Erwerbslosen überhaupt eine Arbeitslosenunterstützung. Und es werden noch so manche kleinere Schweinemäster, nicht nur in Polen, sondern auch bei uns auf der Strecke bleiben, denn das Massenschweinefleisch des US-Konzerns kommt dank der EU-Erweiterung auch zu uns besonders preisgünstig — weil schnellstmöglich mit Massenkraftfutter gemästet und mit Billigarbeitern geschlachtet - in die Fleischtheken. Investigative Kolleginnen und Kollegen hatten schon beizeiten darüber berichtet, aber natürlich kümmerte sich damals wieder mal keine Sau darum.

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