Sie befinden sich hier:
Startseite->Artikel->Fairfliegen: Ablasshandel statt Klimaschutz

Fairfliegen: Ablasshandel statt Klimaschutz

Warum Bäume pflanzen Flugzeugabgase nicht ausgleichen kann.

Für Giovanni Bisignani, Chef der International Air Travel Association(IATA), steht die Flugindustrie nicht vier, sondern fünf Reitern derApokalypse gegenüber: "Letztes Jahr, haben wir die vier Reiter derApokalypse — SARS, Konflikt in Irak, Terrorismus und die (schleppende)Weltwirtschaft überlebt”, verkündete er im Juni 2004. Bisignanis fünfterReiter kommt in Gestalt von steigenden Ölpreisen: "Wenn der Ölpreis beidurchschnittlich 33 Dollar liegt, decken wir unsere Kosten. Bei einemÖlpreis von 36 Dollar könnten wir drei Milliarden Dollar Verlusteerwarten.” In der ersten Juniwoche 2004 kletterten die Treibstoffpreisefür die Flugindustrie auf 42 Dollar. Bisignani hätte einen sechsten -wahrhaft apokalyptischen — Reiter hinzufügen müssen: den von Menschengemachten, globalen Klimawandel.

Die globale Erwärmung stellt eine Zukunftsbedrohung nicht nur für dieFlugbranche, sondern für die Existenz des Lebens auf der Erde dar. Schonheute fordern häufiger und heftiger werdende Wetterextreme wie Stürme,Dürren oder Überschwemmungen Tausende von Menschenleben. In Indienstarben im vergangenen Januar aufgrund einer außergewöhnlichen Kälte2.500 Menschen. Im Mai darauf raffte eine extreme Hitze gleichfalls inIndien und Pakistan 1.500 Menschen dahin. Und in Europa kostete dieHitzewelle des vergangenen Sommers 21.000 Menschen das Leben.

"Insgesamt sind die Energieverbräuche je 100 Passagier-Kilometer beiAuto und Flugzeug in der gleichen Grßenordnung. Die damit verbundenenKlimabelastungen sind aber beim Flugzeug etwa zwei bis vier Mal so groß,weil beim Flugzeug - anders als beim Auto - neben der CO2-Emission auchdie Wasser- und die Stickoxidemissionen eine relevante Klimabelastungerzeugen.” Dr. Karl Otto Schallaböck, Verkehrsexperte am WuppertalInstitut für Klima, Umwelt, Energie

Die am schnellsten wachsende Quelle der Verschmutzung, die den globalenTemperaturanstieg verursacht, sind Flugreisen. Die Jets gebenKohlendioxid (CO2) und andere Klimagase weit oben in der Atmosphäre ab,wo die Auswirkung auf das Klima besonders stark ist. Zudem hinterlassenFlugzeuge lange Spuren von Wasserdampf und Eis als "Kondensstreifen” imHimmel, die gleichfalls die Atmosphäre anheizen. Bei einer jährlichenWachstumsrate um 8 Prozent befördern Fluglinien derzeit über zweiMilliarden Passagiere pro Jahr. Die Hälfte von ihnen sind Urlauber. DerIntergovernmental Panel on Climate Change, das Gremium derinternationalen Klimawissenschaftler, sagt voraus, dass bis 2050 die vonFlugreisen erzeugten Emissionen 15 Prozent der gesamten weltweiten Klimagasemissionen ausmachen werden.

Neuerdings behaupten Initiativen, wie PrimaKlima (oder Fairfliegen),eine Antwort auf den stetig wachsenden Beitrag von Luftverkehr zumKlimawandel zu haben. Aufforstung! Ein Computerprogramm, der"CO2-Rechner" von PrimaKlima rechnet aus, wie viel Bäume zu pflanzensind, um den persönlichen Energieverbrauch zu kompensieren. Um einenFlug von Frankfurt nach Bangkok auszugleichen, müsste man demzufolge 0.3Hektar Bäume pflanzen, was mehr als € 200 kosten solle. Doch inWirklichkeit ist dies kein Klimaschutz, sondern Ablasshandel, basierendauf einen wissenschaftlichen Schwindel: Der grundsätzliche Unterschiedzwischen Kohlenstoff (C) in fossilen Brennstoffen (Erdöl, Erdgas, Kohle)und Kohlenstoff in Bäumen für den Klimawandel wird einfach ignoriert.

Der über Jahrmillionen angesammelte, fossile Kohlenstoff gelangt in dieAtmosphäre, wenn er herausgeholt und verbrannt wird. Die Freisetzung isteine Einbahnstraße, denn es dauert viele Jahrtausende, bis daraus wiederfossile Brennstoffe entstehen und damit das CO2 der Atmosphäre dauerhaftentzogen wird. Bäume wiederum speichern Kohlenstoff nur für einenrelativ kurzen Zeitraum. Während sie wachsen, absorbieren sie ihn zwar,doch wird er nach einigen Jahren wieder an die Atmosphäre abgegeben. ZumBeispiel, weil sie sterben und verrotten, von Schädlingen befallenwerden oder aufgrund einer Hitzewelle in Feuer und Rauch aufgehen. Siekönnen aber auch abgeholzt und zu Möbeln, Gebäuden oder Papierverarbeitet werden, was aber gleichfalls keine dauerhaftenKohlenstoff-Speicher sind.

Hinzu kommt, dass riesige Flächen aufgeforstet werden müssten, um einenfür das Klima spürbaren Effekt zu haben. So warnt der Leiter derForschungsabteilung von Friends of the Earth Scotland: "Um die Zunahmean Kohlendioxidemissionen auszugleichen, die für das nächste halbeJahrhundert vorausgesagt werden, müsste man ganz Europa — vom Atlantikzum Ural — mit Bäumen bedecken." Von diesem CO2-Neutralitätsschwindelprofitieren weder Mensch noch Natur, sondern in erster Linie dieBetreiber von industriellen Holzplantagen. Bereits jetzt lassen sich dieKonzerne die Ausweitung ihrer Eukalyptusplantagen etwa in Brasilien mitdieser neuen Subvention finanzieren. Vergessen werden dabei diegravierenden Umweltschäden, die diese Großplantagen in fast allen Fällenverursachen, sei es das drastische Absenken des Grundwasserspiegels, derhohe Einsatz von Pestiziden oder die Austrocknung von Sumpfgebieten inder Umgebung der Großplantagen. Vergessen wird auch der hohe Preis, dendie lokale Bevölkerung in vielen Ländern des Südens zahlt, wenn ihrfruchtbares Ackerland oder ihre "Urwälder" in Holzplantagen umgewandeltwerden. Die von Eukalyptusmonokulturen betroffenen Bevölkerungen wie imbrasilianischen Espirito Santo wehren sich nicht umsonst seit Jahrengegen die Ausweitung dieser industriellen Holzplantagen.

Im Grunde ist es für das Weltklima egal, durch welche Faktoren esbelastet wird. Doch sollte man nicht die Illusion erwecken, man könnedurch Erhaltung von Wald seinen Flug tatsächlich kompensieren: Der"schwarze" Kohlenstoff in Form von Öl wird ja dem Boden entrissen unddamit Teil des Klimasystems; dadurch wird der Strahlungshaushaltgestört." Dr. Karl Otto Schallaböck, Verkehrsexperte am WuppertalInstitut für Klima, Umwelt, Energie

Die Illusion, eine Änderung unseres Energie verschwenderischenLebensstiles und die notwendige, drastische Einschränkung desFlugverkehrs durch das Pflanzen von Bäumen oder die Finanzierung andererAlibi-Projekte zu umgehen, ist fatal. Im besten Fall verlagert sie dieVerantwortung für drastische Emissionsreduktionen auf die Schulternzukünftiger Generationen. Im schlimmsten Fall finanziert sie außerdemnoch die Ausweitung von industriellen Holzplantagen mit all ihrennegativen Umweltauswirkungen.

Jutta Kill und Chris Lang

Info

Jutta Kill arbeitet bei der Nichtregierungsorganisation Sinkswatch.
Internet: http://www.sinkswatch.org
E-Mail: jutta@fern.org

Chris Lang ist Umweltaktivist und recherchiert für das World RainforestMovement

E-Mail: chrislang@t-online.de


Redaktionsbüro Norbert Suchanek
Wolfgang-Leeb-Str. 29 / D-84513 Töging am Inn
Telefon 08631-91 0www.wrm.org.uywww.chrislang.blogspot.com
E-Mail: chrislang@t-online.de


Redaktionsbüro Norbert Suchanek
Wolfgang-Leeb-Str. 29 / D-84513 Töging am Inn
Telefon 08631-91 09 73
E-Mail: info@tourismus-und-umwelt.de