Die Umweltkontrolleure in Amazonien beanstandeten, dass diese giftigen Pestizide nicht ordnungsgemäß gelagert wurden und wahrscheinlich per Flugzeug versprüht zur illegalen Rodung von Regenwaldflächen benutzt werden sollten. Der Verantwortliche, ein Rinderzüchter aus dem Nachbarstaat Rondônia, sei der IBAMA bekannt. Er werde wegen Verstoßes gegen das Umweltgesetz angezeigt und eine Geldstrafe erhalten.
Dieser in Brasilien ziemlich alltäglich Vorfall wurde nun eine weltweite Schlagzeile, weil irgendjemand in der "Informationskette" zwischen Brasilien und Europa das Skandalwort "Agent Orange" ins Spiel brachte. Während des Vietnamkriegs ließ US-Regierung 72 Millionen Liter dieses berüchtigten "Entlaubungsmittels" großflächig über Äcker und Wälder versprühen und löste damit eine bis heute anhaltende ökologische und menschliche Katastrophe in Vietnam aus. Denn im eingesetzte US-amerikanische Giftcocktail namens Agento Orange, bestehend mehrheitlich aus 2,4-D (Dichlorphenoxyessigsäure) und 2,4,5-T (Trichlorphenoxyessigsäure) fand sich ebenso als "Verunreinigung" das Krebs erregende und Erbgut schädigende Supergift TCDD (Tetrachlorordibenzoparadioxin), bekannt als Dioxin.
Die nun in Amazonien beschlagnahmten Herbizide sind zwar hochgiftig, doch sind sie kein Agent Orange, auch wenn die Formel des Wirkstoffs ähnlich ist. Unkrautvernichtungsmittel wie 2,4 D Amina 72, U—46 BR oder Tordon auf Basis der chemischen Formel 2,4-D sind seit Jahrzehnten weltweit verbreitet und werden nicht nur in Brasilien in Massen eingesetzt. Auch in Deutschland sind bis heute über siebzig 2,4-D-Herbizide für Kleingärtner wie für Landwirte zugelassen, um "Unkräuter" im Rasen wie im Getreidefeld zu vernichten. Großgrundbesitzer wie Kleinbauern in Brasilien - so wie in Argentinien, Paraguay, Uruguay und Bolivien - setzen die 2,4-D-Gifte in erster Linie auf Rinderweiden sowie im Anbau von Reis, Weizen, Mais, Zuckerrohr, Café und zusammen mit Glyphosat nun vermehrt auf den Gen-Sojaplantagen ein.
Agrarkonzerne, Landwirte und Kleingärtner versprühen ganz legal weltweit jährlich weit über 100.000 Tonnen dieser hochgiftigen Herbizide, so die Zahlen der Pestizid-Produzentengruppe Atanor, Dow AgroSciences, Milenia und Nufarm. Im Jahr 2007 verbrauchten allein die USA 30.000 Tonnen und Brasilien 13.000 Tonnen 2,4-D-Gifte.
Das von Toxikologen wie dem Brasilianer Luiz Claudio Meirelles und Umweltschützern kritisierte Problem von 2,4-D ist, dass bei seiner Herstellung - so wie beim Agent Orange - das Supergift Dioxin quasi als Nebenprodukt anfällt und die Herbizide damit verunreinigt sein könnten. Die “Pflanzenschutzindustrie†garantiert zwar eine Dioxin-Freiheit ihrer Produkte, doch in Lateiamerika sind grosse Mengen von Herbiziden mit zweifelhafter Herkunft als Schmuggelware unterwegs. Eine der Drehscheiben des illegalen Pesizidhandels ist Paraguay.
Norbert Suchanek
Journalist und Autor
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