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Gold- und Uranrausch bedrohen Roraimas Ureinwohner

"Das ganze Volk der Yanomami ist gegen Bergbau"

Ende der 1980er Jahre hatten Tausende von Goldgräbern das Territorium der Yanomami im brasilianischen Bundesstaat Roraima heimgesucht, Flussufer verwüstet, Böden und Gewässer mit Quecksilber vergiftet. Über 1.500 Yanomami wurden ermordet oder starben an eingeschleppten Krankheiten. Erst dank weltweiter Proteste wurde die Regierung Brasiliens aktiv, anerkannte 1992 einen Grossteil des Yanomami-Landes als Indianerterritorium und wies das Militär an, die Goldsucher aus dem Gebiet zu entfernen. Der unermüdliche Kampf für seine Heimat im Norden Amazoniens brachte dem Schamanen Davi Kopenawa Yanomami 1989 den UN-Umweltpreis Global 500 ein. Nun genau 20 Jahre später wird das Land seines Volkes abermals von Goldgräbern heimgesucht. Doch dem Yanomami-Territorium droht noch schlimmeres: Uranbergbau. Die brasilianische Soziologin Márcia Gomes de Oliveira und Norbert Suchanek sprachen mit Davi Kopenawa über die neuen Bedrohungen seines Volkes und über ein von der Regierung Lula da Silva auf den Weg gebrachtes Gesetz, das den industriellen Erzbergbau auch in Indianergebieten erlauben und regulieren soll.

Marcia Gomes: Was halten Sie vom geplanten Gesetz, dass die Rohstoffausbeutung auch in staatlich anerkannten Indianergebieten erlauben soll?

Davi Kopenawa: Ich bin dagegen! Ich bin gegen das Gesetz der Ausbeutung der Bodenschätze im Yanomami-Territorium. Die "Weißen" suchen den Reichtum unserer Erde. Deshalb bin ich hier in der Hauptstadt Roraimas, Boa Vista, um den Bergbau in indigenen Gebieten, in den demarkierten Indianerterritorien zu verhindern. Der Bergbau ist eine große Maschinerie, so wie wir Indios sie noch nie gesehen haben. Sie zerstört den Boden, zerstört die Flußauen, zerstört den Regenwald, tötet den Fluss, tötet den Fisch und bringt die Krankheit in unser Land.

Márcia Gomes: Die Folgen des Goldbergbaus kennen Sie aus eigener trauriger Erfahrung. 2003 wurde bekannt, dass in ihrem Territorium liegen auch die mit weltweit größten Vorkommen an Uran liegen. Kennen Sie die Risiken von Uranbergbau? Wurden Sie darüber bereits informiert?

Davi Kopenawa: Nein! Ich habe noch von niemandem dazu Informationen bekommen.

Wissen Sie, was Uran ist? Wurden Sie persönlich oder jemand aus ihrem Volk schon über Radioaktivität und Gefährlichkeit informiert?

Davi Kopenawa: Nein, bisher hat noch keiner mit uns über das Uran gesprochen.

Und das Wort “Radioaktivität” habe ich noch niemals dieses Wort gehört. Tatsächlich sind solche Informationen noch nicht zu uns gekommen. Kein Wissenschaftler, niemand von der Regierung hat bisher etwas dazu gesagt.

Sie als Schamane besitzen eine anderes, traditionelles Wissen über die Erde, den Boden und die Kräfte, die in ihm stecken?

Davi Kopenawa: Die Erze und Mineralien, die unter der Erde sind, Uran, Gold, Diamanten und andere Edelsteine sind die Verbündeten der Erde und desWassers. Die Erde beschützt sie. Wenn der Bergbau in den Boden dringt, Löcher bohrt, wird die Erde krank und schwach, die Zerstörung wird beginnen, und viele Menschen werden sterben. Das ist das, was ich weiß und was ich in meinem traditionellen Studium als Schamane gelernt habe. Minen dürfen nicht sein, weil die Schätze im Boden geschützt und so zu respektieren sind. Niemand darf den Boden antasten, weil er heilig ist. Heilig, um Leben zu retten, das Leben dieses Planeten.

Ohne das Wort Radioaktivität zu kennen, wissen Sie also um die Existenz einer Energie, die, wenn man sie antastet, Krankheit bringt?

Davi Kopenawa: So ist es, und sie bringt wirklich Krankheit. Die Krankheit, die unter der Erde liegt. Eine Krankheit, die wir nicht kennen, weder der "Weiße" noch der Arzt kennt sie. Eine Krankheit, die dort unten versteckt ist. Die Krankheit wird nach außen dringen und alle Welt wird erkranken. Das Kind wird erkranken. Das Kind wird tot zur Welt kommen, verkrüppelt, ohne Kopf. Alle Frauen werden leiden zusammen mit den Männern. Deshalb darf man den Boden nicht aufgraben.

Dies entspricht genau den Folgen von Radioaktivität: Totgeburten und Kinder, die mit Deformationen zur Welt kommen.

Davi Kopenawa: So habe ich es vom Häuptling meines Dorfes gelernt. Ein großer Schamane, der studiert hat, was unter der Erde ist, das Zusammentreffen von Regen und dem Wasser der Erde. Dort, wo das Uran liegt, ist der zentrale Auge, das Zentrum des Wassers, Wasser, mit dem wir uns waschen, das wir in unseren Häusern gebrauchen.

Sind auch andere Yanomami gegen Rohstoffausbeutung in ihrem Land?

Davi Kopenawa: Das ganze Volk der Yanomami ist gegen Bergbau. Ich bin nicht alleine. Alle, alle Yanomami, die hier in unseren Dörfern leben, haben Angst davor, und sind bereit sich zu widersetzen, damit große Minen nicht innerhalb unseres Territoriums entstehen.

Gibt es Repräsentanten anderer indigener Völker, die sich für Bergbauprojekte aussprechen?

Davi Kopenawa: Wir Yanomami, die Sanumá, Tekuana und die Xamatari von Brasilien sind gegen die Ausbeutung der Bodenschätze in unserem Territorium. Wir Indigene, die traditional auf heiligem Land leben, wir wollen nicht, dass der Bergbau ins Herz unserer Erde vordringt. Aber andere indigene Führer, die es mögen Geld zu bekommen, Führer von außerhalb, die mit Politikern zusammenarbeiten, sie wollen die Bodenschätze ausbeuten.

Das vor allem deshalb, weil sie die Folgen des Bergbaus, vor allem des radioaktiven Uranbergbaus für Umwelt und lokale Bevölkerung nicht kennen und sicher niemals darüber informiert wurden.

Davi Kopenawa: Selbst die "Weißen" hier wissen nichts darüber. Sie haben noch nie in den großen Minen gearbeitet. Ich, ein Schamane der Yanomami weiß, dass Bergbau nicht gut ist. Erzabbau bringt keine Wohltaten für das Volk, für niemandem, bringt nur die Krankheit, bringt nur Gewalt und Probleme und alles, was ohneWert ist.

Gibt es Repräsentanten der indigenen Völker Brasiliens, die das Gesetzesvorhaben zur Regulierung der Rohstoffausbeutung in demarkierten Indianerterritorien begleiten?

Davi Kopenawa: Es wird von den Indianerführern, die in Brasilia wohnen, begleitet. Aber wir Völker der Erde, des heiligen Bodens, niemand will dieses Minengesetz. Wir kämpfen, damit diese große Rohstoffausbeutung nicht in unser Land kommt.

Wer steckt konkret hinter diesem Gesetzesvorhaben 1.610/96 , wer sind die Hauptakteure?

Davi Kopenawa: Wer für den Bergbau ist, das sind die Abgeordneten in Brasilia und die Senatoren Romero Jucá Filho und José Sarney, der einst Präsident von Brasilien war. Also diese Gruppe kämpft darum, dass der Bergbau im anerkannten Territorium der Yanomami und in den anderen demarkierten Indianergebieten Einzug hält. Romero Jucá war früher Präsident der FUNAI und hatte uns beschützen und uns indigenen Völkern von Brasilien unterstützen sollen.

Romero Jucá Filho war auch Gouverneur von Roraima?

Davi Kopenawa: Zuerst war er FUNAI-Präsident. Danach ging er nach Boa Vista und wurde Gouverneur von Roraima.

In seiner Zeit als Gouverneur, agierte er da schon gegen die Interessen der Yanomami und der anderen Ureinwohner?

Davi Kopenawa: Romero Jucá Filho war es, der die Goldgräber damals in das Territorium der Yanomami drängte. Schon 1986, als er noch Präsident der FUNAI war, ließ er Goldsucher in mein Land. Es war er, der das Volk der Yanomami ermordete.

Und bis heute wurde er noch nicht dafür zur Rechenschaft gezogen. Im Gegenteil: Präsident Lula da Silva hat Senator Romero Jucá Filho sogar als Regierungssprecher im Senat eingesetzt.

Davi Kopenawa: Bis heute hat sich nichts geändert. Er kämpft weiter gegen uns, redet weiter, um den Bergbau in Indianergebieten zu erlauben. Er sagt: "Last uns die Bodenschätze herausholen, bevor die Amerikaner kommen!"

Gegenwärtig wird ihr Territorium wieder von Goldgräbern heimgesucht. Was fordern Sie von der FUNAI und der Regierung Lula da Silva?

Davi Kopenama: Wir wissen, dass es nicht reicht, einfach die Goldgräber aus unserem Gebiet zu entfernen. Sie werden nicht eingesperrt und kommen wenig später wieder zurück. Vor allem müssen deshalb die dahinter steckenden Firmen- und Goldminenbesitzer, die die Goldgräber in unserer Land schicken und finanzieren, verhaftet werden.

Sie haben dazu bereits in Funktion als Präsident der Yanomamai-Vereinigung, Hutukara Associação Yanomami, mehrere Briefe vergeblich an die FUNAI geschrieben?

Davi Kopenawa: Ja. Aber wir werden weiter kämpfen und Krach machen. Ich werde nicht still halten. Die "Weißen" denken, nur sie seien Intelligent. Sie denken, sie seien die Herren der Erde. Sie denken, nur sie könnten pflanzen. Sie denken, dass es sie waren, die das Wasser auf die Erde gaben. Sie denken, dass sie das Wasser geschaffen hätten. Sie haben es aber nicht geschaffen. Wer die Erde und das Wasser geschaffen hat, war Omamy. Unser Schöpfer.

Danke für das Gespräch.

Norbert Suchanek
Journalist und Autor
Internet: www.norbertsuchanek.org
E-Mail: norbert.suchanek(at)online.de