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Hello Graziano, bye bye Savanne?

Neuer FAO-Chef José Graziano da Silva setzt auf Gentechnik

Als José Graziano da Silva vergangenen Juni zum neuen Chef der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) gewählt wurde, gab es selbst von der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam Vorschusslorbeeren. Denn der 61-jährige Brasilianer, der 1949 in Urbana - dem Soja-Forschungszentrum des nordamerikanischen Soja-Staats Illinois - das Licht der Welt erblickte, gilt dank der gut geölten Propagandamaschine der brasilianischen Regierung als erfolgreicher Kämpfer gegen den Hunger in der Welt. Unter Brasiliens Präsident Lula da Silva diente er als "Minister für soziale Entwicklung und Kampf gegen den Hunger" und brachte das so genannte Null-Hunger-Programm, “Fome Zero”, auf den Weg. Laut Regierung habe es 24 Millionen Brasilianer aus extremer Armut befreit und die Zahl der Unterernährten im Land um 25 Prozent gesenkt.

Als FAO-Chef will Graziano da Silva nun seine Anti-Hunger-Strategien vor allem in Afrika umsetzen und dabei besonders die kleinbäuerlichen Landwirte berücksichtigen. Ob diese allerdings tatsächlich der Bevölkerung und der ökologischen Stabilität des schwarzen Kontinents dienen werden, ist zu bezweifeln. Bereits als FAO-Regionalchef für Lateinamerika und die Karibik verteidigte da Silva 2007 die brasilianische Ethanol- und Biodieselproduktion, gegen die Meinung von Nichtregierungsorganisationen weltweit, die den Biospritanbau gerade auch in Brasilien als Gefahr für die Lebensmittelsicherheit und Artenvielfalt anprangern. In seiner ersten Pressekonferenz als designierter FAO-Chef Anfang Juli bestätigte er seine Pro-Agrarsprit-Einstellung. Zwar gebe es auch „schlechten“ Biotreibstoff, doch Zuckerrohr-Ethanol aus Brasilien beispielsweise sei "guter" Biosprit, der weder Regenwald noch die Nahrungsmittelproduktion bedrohe.

Gentechnik für alle

Graziano da Silva machte auch keinen Hehl aus seiner Vorliebe für gentechnisch manipulierte Organismen wie zum Beispiel Gen-Soja. Der Wirtschafts- und Agrarwissenschaftler glaubt, dass sie die Produktivität der Landwirtschaft erhöhten und damit zur Nahrungsmittelsicherheit betrügen. Das einzige Problem sei das Monopol der Gentechnikkonzerne an den "segensreichen" Gen-Pflanzen. Das transgene Saatgut sollte seiner Meinung nach viel billiger sein und damit auch ärmeren Landwirten, sprich allen Kleinbauern der Welt zur Verfügung stehen. Graziano hat dabei vor allem Afrika und insbesondere die afrikanische Savanne vor Auge.

“Afrika nutze bislang lediglich 14 Prozent von 184 Millionen von Hektaren landwirtschaftlicher Flächen”, so Graziano da Silva. “Nehme man die sich über 25 afrikanische Staaten ausbreitende Savanne hinzu, die ähnlich dem brasilianischen Cerrado ist, dann haben wir 400 Millionen Hektar anbaufähiges Land.” Afrika könne deshalb mit Brasiliens Hilfe eine Schlüsselrolle im Kampf gegen Hunger und Armut im 21. Jahrhundert spielen.

Der Wirtschafts- und Agrarwissenschaftler steht damit fest in den Fußstapfen seines Vaters José Gomes da Silva, dem wissenschaftlichen Soja-Pionier Brasiliens, der seine "Weisheiten" einst am Soja-Forschungszentrum und "Think Tank" der Soja-Industrie in Illinois erlernte. Als Chef des "Serviço de Expansão de Soja" war José Gomes da Silva einer der Hauptverantwortlichen für die Ausbreitung der Soja-Monokulturen von Süd- bis Zentralbrasilien und für die Entwicklung Brasiliens zu einer Soja-Macht sowie zum heute weltweit größten Pestizidverbraucher. Auch in der FAO hinterließ Graziano da Silvas Vater bereits breite Fußstapfen, arbeitete er doch in den 1970er Jahren für die UN-Organisation als Berater für Agrarreform.

Während man die Zerstörung und Umwandlung von kleinbäuerlichen Landschaften und Millionen von Hektaren artenreichem Cerrado-Wald in Soja-Monokulturen quasi als "Lebenswerk" des Vaters beschreiben kann, scheint sich nun also der Sohn die afrikanische Savanne vorgenommen zu haben.

Die Umwandlung des Cerrado in eine Soja-Meer - sprich die Zerstörung weiter Gebiete der brasilianischen Savanne innerhalb von lediglich drei Jahrzehnten - dient ihm quasi als lebendiger Beweis für die fortschrittliche Technik Brasiliens und seiner Agrarindustrie. Als FAO-Chef wolle er im Rahmen einer Süd-Süd-Kooperation das brasilianische “Agrarmodell” und Agrartechnik vor allem in die afrikanischen Flächenstaaten bringen. “Wir haben die Technologie für die tropische Landwirtschaft, die auch gut Afrika ist”, so Graziano da Silva.

Noch kurz vor seiner Wahl zum FAO-Chef brachte die brasilianische Regierung zusammen mit der Regierung von Mosambik das erste Kooperationsprojekt zur “Entwicklung des landwirtschaftlichen Potenzials der mosambikanischen Savanne”, genannt Pro-Savanne, auf den Weg. Weitere über 30 Kooperationsprojekte mit 18 afrikanischen Staaten zum Transfer von brasilianischem Saatgut und Agrartechnik sind in der Pipeline. Schlechte Nachrichten also für Giraffe, Elefant, Löwe und die letzten nomadisierenden Völker in den weiten Savannen Afrikas.

 

Norbert Suchanek
Journalist und Autor
Internet: www.norbertsuchanek.org
E-Mail: norbert.suchanek(at)online.de