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Im Westen nichts Neues

Mit neuen, alten Wahlprogrammen vorwärts in den Abgrund.

Das Warten ist vorbei. Bundespräsident Horst Köhler gibt Grünes Licht für Neuwahlen. Doch wem soll man bloß seine Stimme geben? Wer hat das Zeug, die drängenden Probleme wie Massenarbeitslosigkeit, globale Klimaänderung, Asphaltierung der Landschaft, wachsende Schere und Spannungen zwischen Arm und Reich sowie die weltweit zunehmende Gefahr von Terroranschlägen zu lösen? Ein Blick ins Wahlprogramm der großen Parteien zeigt kaum mehr als alte, neoliberale Rezepte, ideologische Wachstumsgläubigkeit gepaart mit unausgegorenen Reförmchen. Die Absicht, die Pendlerpauschale zu kürzen beispielsweise hilft für sich allein genommen gar nichts. Denn sie schafft keine Jobs, weder in den Ballungszentren noch in den Regionen und Gemeinden, wo die Pendler herkommen. Die Menschen, die noch eine Arbeit haben, müssen trotzdem weiter pendeln, haben dann allerdings am Ende des Monats noch weniger im Geldbeutel. Sie müssen noch mehr aufs Geld schauen, was möglicherweise so mancher Billigsupermarktkette zu gute kommt, nicht aber dem etwas teureren Metzger, Bäcker oder Hofladen um die Ecke. Die Kaufkraft in der Region verringert sich weiter, die Spirale dreht sich weiter abwärts.

Auch die pauschale Förderung der Großindustrie bringt keine neuen Arbeitsplätze, sondern führt höchstens zur Verlagerung von einem Standort zum nächsten. Nein, wir müssen wieder dorthin, wo wir schon einmal waren. Jedes Dorf muss wieder seine Brauerei, seinen Schlachthof, seine eigene Lebensmittelherstellung haben. Dort, wo die Schafzucht noch zuhause ist, gilt es deren Fleisch und Wolle zu nutzen und zu verarbeiten. Ob Milch, Obst, Gemüse, Stroh, Holz, Wolle, Stein oder Ton: Es gilt wieder Strukturen aufzubauen, um alle lokal verfügbaren Ressourcen auch lokal oder zumindest regional zu nutzen, zu verarbeiten und zu vermarkten. Dies schafft nachhaltige Jobs dort, wo die Menschen leben, und verringert gleichzeitig überflüssigen Straßenverkehr.

Doch wie ist das zu bewerkstelligen, wenn das über Hunderte von Kilometern quer durch Deutschland transportierte Massenbier billiger ist, als das in der eigenen Stadt, dem eigenen Dorf hergestellte? Wenn im Supermarkt selbst Bio-Äpfel aus Argentinien zu haben sind, die Äpfel vom Nachbarhof aber keine Chance haben, auch nur ins Regal zu kommen? Wie können unsere Schafzüchter ihr Lammfleisch vermarkten, wenn das 20.000 Kilometer weit transportierte Lammfleisch aus Neuseeland im Supermarkt billiger zu haben ist. Uns geht es da nicht anders als den Bauern in Westafrika, die auf ihrem Fleisch oder ihren Tomaten sitzen bleiben, weil ihre Märkte von billigen, weil mit unseren Steuern heruntersubventionierten Tomaten oder Hühnerteilen aus der EU überschwemmt werden.

Hier gilt es anzusetzen, wollen wir die Situation bei uns und weltweit verbessern. Durch die unsinnige Subventionierung von unsinnigen Exporten vernichten wir uns weltweit gegenseitig die Jobs und Existenzen, die wir doch eigentlich so dringend brauchen. Es gilt endlich, den Spieß umzudrehen. Statt Transporte zu verbilligen, müssen sie verteuert werden. Eine deutliche, entfernungsabhängige Transportsteuer auf alle Produkte, die lokal hergestellt werden können, würde beispielsweise dazu führen, dass Schweine oder Rinder nicht mehr zu weit entfernten Schlachthöfen transportiert werden, sondern in neuen, kleinen Schlachthöfen in der Region geschlachtet und weiterverarbeitet werden. In den Dörfern entstünden wieder neue Brauereien, weil es dann selbst für Bierkonzerne wieder ökonomisch ist, dezentral, also lokal zu produzieren. Die Manager der Großindustrie können dann auch nicht mehr Länder und Regionen gegeneinander ausspielen und mit der Verlagerung der Standorte drohen, einfach weil die hohen Transportkosten es selbst für die Shareholder wieder ökonomisch sinnvoll macht, die Produkte nicht nur an einem Standort zu produzieren und dann weltweit zu verteilen, sondern an vielen Standorten für den regionalen Verbrauch zu produzieren.

Wenn immer mehr Menschen in ihren Gemeinden arbeiten können, werden auch wieder die Kneipen und Gaststätten und das kulturelle Leben in den Dörfern wiedererstehen und die Lebensqualität erhöhen. Die Regionen können wieder ihre Identität erhalten und weiterentwickeln, werden wieder unverwechselbar.

Nicht zuletzt hat dies ebenso für Umwelt und Gesundheit erhebliche Vorteile. Denn weniger Transporte bedeuten automatisch weniger Lärm und Feinstaub sowie geringerer Ausstoß von Treibhausgasen durch den Verkehr. Gesundheitsprobleme nehmen ab, der Klimawandel wird effektiv abgemildert, die Flächenversiegelung der Landschaft durch immer mehr Straßen verhindert und gleichzeitig auch die globale Ungleichheit verringert, weil wir beispielsweise den Afrikanern nicht mehr die Märkte kaputt machen. Die Vorteile für Volkswirtschaft, Bevölkerungen und unserer gemeinsamen Umwelt liegen auf der Hand. Sicher werden einige Jobs im Transportgeschäft verloren gehen. Diese Jobverluste sind im Einzelfall bestimmt hart, aber insgesamt gesehen, im Vergleich zu den Hunderttausenden neu in den Regionen entstehenden, nachhaltigen Arbeitsplätzen vernachlässigbar.

Was fehlt, sind nur noch die Parteien und Politiker, die sich trauen, die notwendige, drastische Verteuerung der Transporte gegen die Interessen von Transportlobby, Transnationalen Konzernen und ihren unmoralisch hochbezahlten Top-Managern umzusetzen.