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Interview mit Jeanette Fitzsimons MP

Am kommenden Samstag wird in Neuseeland ein neues Parlament gewählt. Im Interview mit der Vorsitzenden der neuseeländischen Grünen, Jeanette Fitzsimons MP, äußert sie sich zu:

- den Themenschwerpunkten im Wahlkampf

- der Prioritätensetzung im Fall der Regierungsbeteiligung

- Lehren, die aus dem Abschneiden der Bündnis 90 / Die Grünen in Deutschland gezogen wurden

- einem permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat für Deutschland

Jeanette Fitzsimons ist zusammen mit Rod Donald Vorsitzende der Grünen in Neuseeland.

Am 17. September wird in Neuseeland ein neues Parlament gewählt. Die regierende Labour Party und die oppositionelle National Party liefern sich derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen in den Umfragen. Für die Regierungsbildung wird das Abschneiden der kleinen Parteien von entscheidender Bedeutung sein. In aktuellen Umfragen überspringen derzeit einzig die Grünen die Fünf-Prozent-Hürde. Der favorisierte Koalitionspartner der Labour Party liegt bei 5,1 Prozent.

Jeanette Fitzsimons ist zusammen mit Rod Donald Vorsitzende der Grünen in Neuseeland. Im folgenden Interview äußert sie sich zu den Themenschwerpunkten im Wahlkampf; Prioritätensetzung im Fall der Regierungsbeteiligung; Lehren, die aus dem Abschneiden der Bündnis 90 / Die Grünen in Deutschland gezogen wurden.

Frage: Mit welchen Themenschwerpunkten werben Sie in diesem Wahlkampf um das Vertrauen der Wähler?

Antwort: Wir haben vier Themenschwerpunkte. Diese sind
1) Energie und Klimawechsel,
2) die Wasserqualität der Flüsse und Seen in Neuseeland,
3) soziale Gerechtigkeit und
4) sichere und gesunde Lebensmittel.

Frage: Bei steigenden Ölpreisen nimmt das Thema Energie und Klimawechsel derzeit sicherlich einen wichtigen Stellenwert ein.

Antwort: Ja, das Thema Öl nimmt definitiv einen größeren Stellenwert als in der Vergangenheit ein. Wir sind die einzige Partei in Neuseeland, die davon ausgeht, dass die kürzlichen Erhöhungen der Ölpreise permanent sind. Die Preise werden weiter steigen; darauf müssen wir die neuseeländische Wirtschaft vorbereiten.

Frage: Beim Thema „sichere Lebensmittel“ handelt es sich sicher um gen-manipulierte Lebensmittel?

Antwort: Nicht nur. Es stimmt, dass wir weiterhin zu unserer Forderung stehen, dass keine gen-manipulierten Lebensmittel in die Ernährungskette von Neuseeländern gelangen. Ausserdem arbeiten wir an dem Thema Übergewichtigkeit bei Kindern im Zusammenhang mit Junk- und Fast Food an. In vielen Schulkantinen wird nur Junk-Food angeboten. Das wollen wir ändern, damit unsere Kinder gesundes Essen in den Schulen bekommen.

Frage: Welches Ziel haben Sie sich für die Wahl am 17. September gesteckt?

Antwort: Ich zögere immer damit, eine Prozentzahl zu nennen. Beim letzten Mal hatten wir sieben Prozent, diesmal wollen wir zehn Prozent erreichen.

Frage: Eine Woche vor der Wahl liegt Ihre Partei in Umfragen gerade bei fünf Prozent. In Deutschland haben es die Grünen in den letzten Bundes- und Landtagswahlen mit Leichtigkeit über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. Beneiden Sie Ihre deutschen Kollegen manchmal darum?

Antwort: Wir werden die Fünf-Prozent-Hürde am 17. September sicher überspringen. Im Laufe des Wahlkampfes haben die Grünen in Neuseeland jedesmal zugelegt. Ich erinnere mich an eine Wahl in den 90ern, als die Grünen in Deutschland mit 4,9 Prozent scheiterten. Das war uns eine große Lehre: auch wenn der Einzug ins Parlament einmal nicht gelingt, ist es nicht das Ende der Partei.

Frage: Deutschland hat gezeigt, dass es manchmal für die Grünen besser ist, auf der Oppositionsbank, statt in der Regierung zu sitzen. Trifft das auch auf die Grünen in Neuseeland zu?

Antwort: Die Grünen müssen zwischen den Vor- und Nachteilen abwägen, die sich durch Regierungs- und Oppositionszugehörigkeit bieten. Als Oppositionspartei haben wir zwar ein stärkeres Markenzeichen, gleichzeitig allerdings weniger Einfluss auf politische Entscheidungen. Bisher saßen wir noch nie auf der Regierungsbank. Stattdessen haben wir ein Unterstützungsabkommen mit der Labour Party. (Dieses Abkommen verpflichtet die Grünen bei Misstrauensanträgen der Opposition für die Regierung zu stimmen — Anmerkung des Autors). Nach meiner Auffassung können wir politisch mehr bewegen, wenn wir einige Minister stellen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass wir eine große politische Schnittmenge haben, und unsere Minister auch eigenständig in den Ministerien handeln können.
Meine Vision für die Grünen sieht folgendermaßen aus: einige Jahre Regierungsverantwortung, bei der man sich die Finger schmutzig mach, allerdings auch einige wichtige politische Erfolge erzielt. Im Anschluss sollten wir für eine Legislaturperiode wieder in die Opposition gehen, um uns zu radikalisieren (neuzuorientieren) und anderen Themenkomplexen zuzuwenden. Das ganze ist ein Kreislauf.

Frage: Nehmen wir an, es gibt nach dem 17. September eine Mehrheit für eine Koalition zwischen den Grünen und der Labour Party. Welche Prioritäten würden Sie anders setzen, als die derzeitige Labour Regierung?

Antwort: Eine solche Koalition würde einen viel größeren Schwerpunkt auf Umweltpolitik legen. Desweiteren würden wir darauf achten, dass Neuseeland außenpolitisch nicht so stark der Politik der USA folgt. Die derzeitige Labour Regierung hat beispielsweise neuseeländische Truppen nach Afghanistan geschickt. Die Grünen waren hier als einzige Partei dagegen. Ein weiterer Unterschied würde in der Bekämpfung von Armut liegen. Mit anderen Worten, höhere Staatsausgaben zur Armutsbekämpfung.

Frage: Stichwort Außenpolitik. Unterstützen Sie, dass Deutschland einen permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat bekommt?

Antwort: Die Grünen in Neuseeland haben hierzu keinen Standpunkt festgelegt. Vor dem Hintergund der Wirtschaftskraft und Führungsrolle Deutschlands in Europa wäre es sinnvoll. Persönlich befürworte ich den Vorschlag, kann hier allerdings nicht für die Partei sprechen.

Frage: Drogenpolitik ist ein wichtiger Aspekt im Wahlkampf. Ihre Partei vertritt hier eine sehr liberale Einstellung. Verhindert diese Einstellung nicht, dass die Grünen weitere Zugewinne im liberalen, bürgerlichen Millieu erzielen?

Antwort: Wir werden immer das Problem haben, dass einige Bevölkerungsgruppen gewisse politische Positionen nicht unterstützen. Mütter, die auf gesunde Ernährung ihrer Kinder bedacht sind, lehnen vielleicht unsere Drogenpolitik ab. Da kann man nichts machen.

Frage: Erstmals seit Einführung des Verhältniswahlrechts im Jahre 1996 erleben wir einen Blockwahlkampf zwischen den Grünen und Labour auf der eine, und National und ACT auf der anderen Seite. Können Sie sich vorstellen, zukünftig auch mit der National Party eine Koalition einzugehen?

Antwort: Nein, beim besten Willen nicht. Die Sichtweise der National Party müsste sich dramatisch ändern. Derzeit ist es so, dass die National Party außenpolitisch George Bush’s Linie folgt. National würde den Bann von nuklear-betriebenen und / oder mit Nuklearwaffen ausgerüsteten Schiffen sofort aufheben. Unterstützungen von Alleinerziehenden würden aufgehoben werden, private Krankenversorgung und Schulbildung auf Kosten der gesetzlichen Lösung favorisiert. All das sind schreckliche Einstellungen. Auf dieser Basis kann ich mir keine Verhandlungen vorstellen. Ich will nicht ausschließen, dass sich die National Party eines Tages ändert, dies ist jedoch nicht absehbar.