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Klimaexperten Schellnhuber und Milke: Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen

Zwei der renommiertesten Klimaexperten Deutschlands, Hans Joachim Schellnhuber und Klaus Milke, halten ein Erreichen des so genannten Zwei-Grad-Ziels trotz des Scheiterns des Klimagipfels von Kopenhagen noch für möglich.

Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und der Vorstandsvorsitzende der Bonner Nichtregierungsorganisation Germanwatch, die die internationalen Klimaverhandlungen aktiv begleitet, sagen, Klimaschutz-Vorreiter wie Deutschland müssten dazu zeigen, dass der Kampf gegen die Erderwärmung globalwirtschaftlich profitabel sei.

Die Bundesregierung, lobt Schellnhuber, versuche das bereits: „Mit ihren Klimaschutzzielen verhält sie sich so, als ob es schon einen Weltklimavertrag gäbe“, sagt der Physiker. Er erwartet, dass diese seiner Ansicht nach ambitionierte Klimaschutzpolitik — die mit vergleichsweise hohen Investitionen in erneuerbare Energien und Umwelttechnologien einhergeht — neue Wachstumsmärkte erschließt.

„Deutschland wird von dieser Politik profitieren“, sagt Schellnhuber. Dies könne weitere Länder zum Nachziehen und zu höheren nationalen CO2-Minderungszielen animieren, wodurch ein internationales Klimaschutzabkommen wieder wahrscheinlicher werde. „Die Klimaverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nationen“, sagt das langjährige Mitglied des Weltklimarats IPCC, „bleiben dennoch wichtig“. Eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf zwei Grad Celsius gilt als zwingend für die Vermeidung ökologischer Schäden riesigen Ausmaßes.

Germanwatch-Mitgründer Milke argumentiert ähnlich. Es dürfe „keinen Ausbruch aus dem UN-System“ geben, sagt er. Wie Schellnhuber hält er daneben aber auch eine „stärkere Dynamik von unten“ für notwendig. Die großen CO2-Emittenten, vor allem die reichen Industrieländer, müssten den Beweis antreten, dass Klimaschutz sich auch wirtschaftlich auszahle — und zwar nicht nur für sie selbst. „Sie müssen Entwicklungs- und Schwellenländern zeigen, dass auch diese von einer ‚grüneren’ Wirtschaft profitieren können“, sagt Milke. Gelinge das, sei das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen. Hoffnung macht ihm, dass die Chancen eines grundlegenden Umsteuerns mittlerweile von vielen Regierungen klarer gesehen würden. Damit zusammenhängende Vorteile, sagt er, seien zuletzt „gegenüber den Kosten stärker in den Vordergrund gerückt“.

Der Germanwatch-Vorsitzende wirbt für „vertrauensbildende Maßnahmen“ in den Entwicklungsländern, auch für große Klimaschutzprojekte und Technologiekooperationen, wie sie etwa die Industrie-Initiative Desertec mit ihrem Wüstenstromprojekt verfolgt. Industrieländer, fordert er, dürften „ihre Patente auf Klima- und Umwelttechnologien nicht wegschließen“. Sie müssten sich außerdem mit den ärmeren Ländern auf eine gerechte Verteilung von Klimaschutzkosten und eine Entschädigung von Opfern des Klimawandels verständigen. Die Klärung dieser Fragen, sagt Milke, sei „entscheidend für Fortschritte in den internationalen Klimaverhandlungen“.

Momentan, so Schellnhuber, steckten die internationalen Klimaverhandlungen in der Sackgasse. Ursache sei das weitverbreitete „Prinzip Klingelbeutel: Jeder gibt so wenig, wie er kann“. Die Voraussetzungen, um das Zwei-Grad-Ziel zu vertretbaren Kosten zu erreichen, müssten in den kommenden zehn Jahren geschaffen werden, sagt der PIK-Direktor. Grund sei der lange Vorlauf von Klimaschutzmaßnahmen bis zur Wirkung in der Atmosphäre. Diese Ungleichzeitigkeit von Handeln und Wirkung mache es auch so schwer, die Verantwortlichen jetzt zum Handeln zu bewegen. „Je später die Staatengemeinschaft sich aber ambitionierte Klimaschutzziele setzt, desto höher müssen die CO2-Reduzierungen ausfallen“, sagt Schellnhuber. Und desto teurer werde der Klimaschutz.

Quelle: „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, www.nachhaltigkeitsrat.de