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Nachhaltiges Gen-Soja?

Vor kurzem berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass sich die Soja-Produzenten im brasilianischen Mato Grosso von genmanipuliertem Soja verabschieden würden. Es habe eine Welle gegen Gen-Soja bei den Farmern eingesetzt. Der Reuters-Artikel zitiert dazu die Meinung eines, für die Verhältnisse Mato Grossos, eher unbedeutenden Soja-Produzenten mit lediglich 1.800 Hektar Anbaufläche.

Die tatsächlichen Fakten scheinen jedoch anders zu liegen. Noch 2003 hatte Blairo Maggi, Gouverneur des zentralbrasilianischen Bundesstaates Mato Grosso und weltgrößter Soja-Produzent mit über 200.000 Hektar Anbaufläche, transgene Sorten verboten. Doch Maggi schwenkte schon im Jahr darauf zum glühenden Gen-Soja-Befürworter um. Heute wachsen transgene Sorten auf  44 Prozent der fast 6 Millionen Hektar Sojabohnenplantagen Mato Grossos. Im Soja- und Gentechnik-Vorreiterstaat Rio Grande do Sul, in Südbrasilien, ist bereits 80 Prozent der Soja-Ernte genetisch manipuliert.

Weil die konventionellen Sorten aber derzeit noch bessere Ergebnisse in Mato Grosso erzielten, gebe es bei den Farmern zwar noch eine Zurückhaltung gegenüber transgenen Sorten, kommentiert Marcelo Duarte Monteiro, Direktor der Vereinigung der Soja- und Maisproduzenten (Aprosoja) den Reuters-Artikel im Internetmedium "Circuito Mato Grosso". Doch habe es in Mato Grosso gegenüber der Saison 2007/2008 tatsächlich keinen Rückgang des Gen-Soja-Anbaus gegeben. Monteiro: "Der Prozess der Annahme dieser Technik geht weiter, es gibt kein zurück. Alle Forschungen werden auf diesem Gebiet unternommen, und Gentechnik ist die Tatsache der Zukunft."

Erst im vergangen Jahr lancierte der größte Soja-Exporteur des Bundesstaates, die Grupo André Maggi (Amaggi), ein Pilotprojekt, um Gen-Soja aus Mato Grosso in Europa hoffähig zu machen. Unter dem Namen Nachhaltiges Gen-Soja (Soja transgênica sustentável) hat das zur Familie Blairo Maggi gehörende Unternehmen soziale und Umwelt-Kriterien für den "nachhaltigen" Anbau der transgenen Sorten entwickelt, um gentechnisch kritischen Europäern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Laut Firmenangaben nähmen bereits die 300 größten der 800 Soja-Zulieferer Amaggis am Programm Nachhaltiges Gen-Soja teil und hielten die Kriterien wie den korrekten Einsatz von Pestiziden und das Verbot von Kinder- und Sklavenarbeit ein.

Doch egal ob konventionelle Sojabohnen oder genetisch manipuliert: Die gravierendsten Probleme des Soja-Anbaus sind die dadurch verursachten Tropenwaldabholzungen sowie die Vertreibung von Ureinwohnern, Kleinbauern und traditionellen Bevölkerungsgruppen vor allem in der Region des Cerrado in Zentral-, Nord- und Nordostbrasilien. Dieses extrem artenreiche Trockenwaldökosystem namens Cerrado ist Hauptopfer der Soja-Expansion, die in Mata Grosso mit der Ankunft der Familie Maggi Ende der 1970er Jahre während der Militärdiktatur einsetzte.

Exakte Zahlen darüber, wie viel des sich einst über rund zwei Millionen Quadratkilometer erstreckenden Cerrado bereits abgeholzt ist, gibt es aufgrund mangelnder Forschung nicht. Die Schätzungen reichen von 40 bis 80 Prozent. Jüngste Auswertungen von Sattelitendaten legen den Schluss nahe, dass allein bis 2002 schon rund 800.000 Quadratkilometer vernichtet wurden, so die Berechnungen des Wissenschaftlers Manuel Eduardo Ferreira der staatlichen Universität von Goiás. Die Sattelitenaufnahmen zeigten auch, dass die Abholzung weiter voranschreitet und zwar Richtung Nord- und Nordostbrasilien. Aufgrund der Soja-Ausbreitung werde künftig vor allem der Cerrado der Bundesstaaten Bahia, Piauí und Maranhão in Mitleidenschaft gezogen. Bis 2050 werde Brasilien weitere 160.000 Quadratkilometer Cerrado verlieren, schätzt Ferreira.

Dass diese gravierende Vernichtung von Biodiversität aus Vernunftgründen ein baldiges Ende findet, ist derzeit kaum zu erwarten. Schon gar nicht in Mato Grosso. Denn nach Meinung von Gouverneur Blairo Maggi, könne man einfach keine Landwirtschaft oder Viehzucht ohne Abholzung betreiben. "Dies ist die große Wahrheit", so Maggi.

 

Norbert Suchanek, Rio de Janeiro

 

Norbert Suchanek
Journalist und Autor
Internet: www.norbertsuchanek.org
E-Mail: norbert.suchanek(at)online.de