Das älteste deutsche Atomkraftwerk im Badischen ist seit 34 Jahren im Einsatz. Zwar gehört Obrigheim eher zu den kleinen Kraftwerken Deutschlands; es geriet jedoch in den letzten Jahren häufiger in die Presse. Erst der Streit um den Betrieb ohne Dauergenehmigung Anfang der Neunziger Jahre, dann die daraufhin angeordnete Abschaltung des Meiler. Erneuter Betrieb und heftige Bürgerprosteste gegen den altersmüden Reaktor. Es folgte der Entzug der Dauerbetriebsgenehmigung, ohne jedoch vom Netz genommen zu werden. Schließlich sei das Kernkraftwerk Obrigheim trotz seiner langen Betriebsdauer als sicher anzusehen, so ein Untersuchungsausschuss 1996. Ende 2001 wurden jahrelange Mängel im Notkühlsystem aufgedeckt, die seit Anfang der Neunziger Jahre bestanden. Trotzdem beteuerte der baden-württembergische Umweltminister, der Fehler sei bekannt, behoben und Obrigheim sicher.
Anfang 2000 wird im Atomkonsens der ersten Rot-Grünen Regierung per Gesetz jedem deutschen Kernkraftwerk eine sogenannte Reststrommenge zugesprochen. Das ist die Menge Strom, die ein Kraftwerk noch produzieren darf, bevor es endgültig vom Netz genommen wird. Je nach Alter variieren diese Mengen zwischen wenigen Milliarden kWh und einigen Hundert Milliarden kWh. Zum Vergleich: 300.000 Haushalte verbrauchen knapp eine Milliarde kWh je Jahr.
Die zugesprochenen Kontingente an zu produzierendem Strom können von älteren Kraftwerken auf jüngere übertragen werden, damit die stärker gefährdeten älteren Atommeiler schneller vom Netz genommen werden können.
Die jetzt — nur durch die Bundesregierung mögliche - zugesprochene Verlängerung um zwei weitere Betriebsjahre des Kraftwerkes Obrigheim und somit die Verteilung der zu produzierenden Restsstromenge von jüngeren auf ältere Kraftwerke straft alle Versprechungen zum Gesamtausstieg aus der per Atomkraft gewonnenen Energie mit Lügen. Einziges Trostpflaster: die zu produzierende Gesamtmenge aller deutschen Atomkraftwerke ändert sich dadurch nicht. Die Umschichtung bedeutet lediglich, dass das älteste deutsche Atomkraftwerk zwei Jahre länger am Netz bleibt, während das 22 Jahre alte Kraftwerk Philipsburg I entsprechend der übertragenen Stromproduktion von 5,5 Terrawattstunden kürzer am Netz bleibt. Das Risiko der älteren Meiler bleibt — und damit das Gefühl eines faulen Kompromisses, den die alte und neue Bundesregierung mit der Energiewirtschaft eingegangen ist.
Festgelegte rechnerische Restlaufzeiten aller deutsche Reaktoren:
Obrigheim - 2002
Stade - 2004
Biblis A - 2006
Biblis B - 2008
Neckarwestheim 1 - 2008
Brunsbüttel - 2008
Isar 1 - 2009
Unterweser - 2010
Philippsburg 1 - 2011
Grafenrheingfelde - 2013
Krümmel - 2015
Grundremmingen B - 2016
Grohnde - 2016
Grundremmingen C - 2016
Phillipsburg 2 - 2016
Brokdorf - 2018
Isar 2 - 2020
Emsland - 2020
Neckarwestheim 2 - 2021