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Pflanzengift Glyphosat: Naturschützer streiten für Zulassungsverschärfung

Das Pflanzengift Glyphosat darf in Deutschland weiter verwendet werden. Eine von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragte Aussetzung der Zulassung hat die Regierungskoalition Anfang Februar abgelehnt.

Glyphosat ist als Wirkstoff Basis der meisten Unkrautvernichtungsmittel und wird unter dem Handelsnamen Roundup auch in deutschen Gartenmärkten verkauft. In der konventionellen Landwirtschaft wird es großflächig ausgebracht, um Äcker unkrautfrei zu machen, oft in Kombination mit eigens gezüchteten Pflanzen, denen das Herbizid nichts anhaben kann. Umweltschützer sehen durch den seit Jahren rasant steigenden Glyphosateinsatz Natur und Mensch in Gefahr und drängen auf eine Neubewertung der Wirkstoffzulassung.

„Glyphosat wird in Deutschland tonnenweise versprüht, ohne dass Rückstände in Böden und Gewässern systematisch kontrolliert werden“, sagt Steffi Ober vom Naturschutzbund Deutschland, NABU. Noch laxer würden importierte Futterpflanzen überprüft. Soja aus Übersee, das in Deutschland an Nutztiere verfüttert werde, sei mitunter mehrfach mit Glyphosat behandelt worden. „Von 18.000 Proben auf Pestizidrückstände, die in Deutschland jährlich untersucht werden, galten 2007 aber nur 43 Proben Glyphosat, 2008 waren es 35.“ Wie viel Glyphosat so auf deutschen Tellern lande, wisse niemand.

Viele Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen halten Glyphosat für gefährlich. Der NABU, Greenpeace und das Pestizid Aktions-Netzwerk Deutschland bringen ihn mit der Entstehung von Krebs in Verbindung. Außerdem lasten sie dem Wirkstoff und den mit ihm versprühten Beistoffen schwere Umweltschäden an: Die Mittel sollen Gewässer belasten, die Bodenfruchtbarkeit mindern und die Widerstandskraft der mit ihnen behandelten Nutzpflanzen schwächen. Außerdem würden durch sie sämtliche Beikräuter abgetötet, was vielen Arten die Lebensgrundlage entziehe. „Durch die einseitige Anwendung von Glyphosat sind etliche Unkräuter schon resistent gegen diesen Wirkstoff“, sagt NABU-Expertin Ober. Reagiert würde darauf oft mit zusätzlichen Giften, die weitere Schäden anrichteten.

In Europa ist Glyphosat seit 2002 als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln genehmigt. Turnusmäßig müsste diese Genehmigung dieses Jahr auf den Prüfstand. Die Europäische Kommission hat einer Verschiebung bis 2015 zugestimmt. Aus Sicht der deutschen Fachbehörden stellen die derzeit vorliegenden Informationen die Zulassungsfähigkeit von Glyphosat nicht infrage. „Gegenüber anderen Wirkstoffen verfügt es über ein eher günstiges ökotoxikologisches Profil“, sagt Steffen Matezki vom Umweltbundesamt (UBA). Auch der Bodenkundler Bernd-Michael Wilke sieht keinen Anlass für eine Neuregelung. Bei richtiger Anwendung werde der Wirkstoff in der Natur relativ schnell abgebaut, sagt der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Ökologie an der Technischen Universität Berlin.

Problematischer als der Wirkstoff Glyphosat sind laut Wilke und Matezki die ihm beigemischten Stoffe, die seine Wirkung entfalten oder steigern sollen. Einige davon sind laut UBA sehr giftig für Wasserlebewesen und stehen im Anfangsverdacht, ins Hormonsystem einzugreifen. „Diese Beistoffe sollten aus unserer Sicht schnell ausgetauscht werden“, sagt Matezki, der im UBA für die Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln zuständig ist. Glyphosat einfach durch einen anderen Wirkstoff zu ersetzen, bringe nichts. Das Problem sei weniger der Wirkstoff, als dessen massenhafte Anwendung. Je mehr Pflanzenschutzmittel ausgebracht würden, desto höher seien die Rückstände, desto schwerer wögen die Folgen. Durch das Abtöten der Beikräuter würden vielen Insekten und damit auch den Feldvogelarten die Nahrungsgrundlage entzogen.

„In der konventionellen Landwirtschaft sollte der Einsatz von Glyphosat und anderen Breitbandherbiziden deswegen auf das notwendige Maß gestutzt werden“, sagt Matezki. Das fordert auch NABU-Fachfrau Ober, die dafür allerdings keine Anzeichen sieht. Glyphosat sei in Deutschland in den vergangenen Jahren für immer mehr Flächen freigegeben worden. Das sei „regelrecht ausgeartet“ — obwohl es Alternativen gäbe: Pestizide, die selektiv wirkten und nur unerwünschte Beikräuter abtöteten, oder vernünftige Fruchtfolgen auf den Äckern, die den Wuchs von Schädlingen natürlich regulierten. Der NABU fordert, glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel nicht mehr zur schnelleren Reifung von Pflanzen einzusetzen und dessen Einsatz in privaten Haus- und Kleingärten schnellstmöglich zu unterbinden.

„Im Kern offenbart die Bundesregierung in ihren Umgang mit Glyphosat und anderen chemischen Keulen, wie ernst es ihr mit einer nachhaltigeren Landwirtschaft ist“, meint Ober. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass die Politik sich einseitig an den Interessen der Agrarindustrie orientiere. Diese Einschätzung teilen auch Wirtschaftsverbände: Der mitgliederstarke Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat Ende 2011 zusammen mit dem NABU und weiteren Organisationen seine Mitgliedschaft im „Forum Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ aufgekündigt. Das Forum moderierende Bundeslandwirtschaftsministerium zeige sich „immun gegen Vorschläge, die Pestizidbelastungen ernsthaft zu senken“, hieß es zur Begründung.

 

Quelle: „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, www.nachhaltigkeitsrat.de