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Rohkost - gesund bis gefährlich

Rohkost-Anhänger seien gewarnt. Nicht alles, was natürlich gewachsen ist, ist auch bekömmlich.

Selbst ungiftig geltende Pflanzen sind keineswegs wehrlos. Im Kampf ums Überleben bestückte Mutter Natur die Flora mit einem reichhaltigen Arsenal an Abwehrstoffen gegen Feinde aller Art. Diese schmerzliche Erfahrung mussten auch Mitglieder eines Vegetarierkongresses in Widnau, St. Gallen machen. Der Kongress endete für 23 von ihnen im Krankenhaus. Der Übeltäter war schnell gefunden: Ein aus rohen grünen Bohnen zubereitetes Mus.

Das Angebot pflanzlicher "Waffen" reicht von Giftstoffen, Enzymhemmern bis hin zu pflanzlichem Östrogen. Grüne Bohnen beispielsweise wehren sich gegen den Schadpilz Fusarium moniliforme mit einem Protein, welches das Pilzenzym hemmt. Das Lektin der Gartenbohne erkennt nicht nur parasitäre Pilze sondern enthält auch das für Menschen toxische Ricin. Der "Genuss" dieses Gemüses im rohen Zustand führt zu Krämpfen, Blutungen oder Schock.

Schutz vor gierigen Mäulern

Empfängnisverhütung ist die raffinierteste Methode, derer sich grüne Bohnen, Sojabohnen und andere Hülsenfrüchte aber auch Hopfen und Rotklee bedienen. Sie bilden Phytoöstrogene. Diese werden durch Bakterien der Darmflora in Hormone umgewandelt. Zu ihnen gehören die Isoflavonoide - meist Genistein und Daidzein, die eine den menschlichen Hormonen ähnliche Sruktur aufweisen - pflanzliches Östrogen - kein Widerspruch!

Gewisse Tierarten scheinen dies nicht nur zu wissen, sie nutzen ihr Wissen. So sollen Äffinnen nach der Geburt ihrer Jungen beobachtet worden sein, die gezielt Bohnen fraßen - quasi als Verhütungsmittel. Anderen fehlt dieses Wissen. Wie das GEO-Magazin, Ausgabe 10/02 berichtete, bildet Klee in schlechten Wachstsumsphasen vermehrt pflanzliche Sexualhormone, die bei Kühen zu Scheinschwangerschaften führen und somit die Geburt einer neuen Generation verhindern. " Und die "Pille für die Kuh" gibt der Kleepflanze Zeit, sich zu erholen".

Die Frage stellt sich, welchen Einfluss die pflanzlichen Östrogene auf den menschlichen Organismus haben; kann regelmäßiger Verzehr östrogenhaltiger Nahrung zur Unfruchtbarkeit führen? Wenn ja, müsste das nicht längst in asiatischen Ländern bemerkbar sein durch sinkende Population, da dort Sojaprodukte zum täglichen Speiseplan gehören? Müssen wir die Skandale um Hormonrückstände in Nahrungsmitteln neu überdenken? Wie gesund ist die Zumischung von Soja in Soja-fremde Produkte wirklich? Die Meinungen darüber sind geteilt. Letztendlich bedarf es eingehender Studien zu diesem noch erforschungsbedürftigem Thema. Sicher ist nur, dass Isoflavonoide hormonabhängige Krebsarten hemmen. Darm-, Brust- oder Prostatakrebs sind in Asien seltener als in Europa. Isoflanonoide haben einen positiven Einfluss auf Arteriosklerose-, und Osteoporosepatienten, lindern sogenannte Frauenbeschwerden und helfen bei koronaren- und peripheren Durchblutungsstörungen.

Ein Cocktail aus Gift

Östrogen ist nicht der einzige Abwehrstoff, den die Sojabohne im Sortiment führt. Sie setzt auch Saponine (Vertreter der Familie pflanzlicher Glykoside) ein, die hoch toxisch sind. "Schon in großer Verdünnung bewirken sie eine Hämolyse der roten Blutkörperchen - allerdings nur bei direkter Einführung in die Blutbahn" informiert das Institut für Chemie der Karl Franzens Universität (Graz). Saponin-haltige Pflanzen erleichtern den Eingeborenen Südamerikas die Fischjagd: Das Saponin betäubt die Fische. Der Sojabohne dient es als antimikrobieller Hemmstoff gegen Krankheitserreger.

Selbst die so harmlos wirkende Kartoffel ist "bewaffnet" mit dem Alkaloid Solanin (Solanine = Glykosidalkaloide der Nachtschattengewächse), in geringen Dosen ungefährlich, ab 25 mg jedoch für den Menschen toxisch und ab 400 mg tödlich. Je grüner die Kartoffel, desto mehr Solanin enthält sie. Das gleiche gilt für Tomaten. "Ist die Kartoffel ganz grün oder sind größere grüne Stellen vorhanden, empfiehlt es sich, die Kartoffel wegzuwerfen", rät deshalb die Deutsche Gesellschaft für Ernährung.

Besonders ungemütlich kann übermäßiger Verzehr von Sauerampfer, Klee oder Rhabarber sein. Sie enthalten Oxalsäure, auch Kleesäure genannt. Rhabarberblätter sollten immer gründlich entfernt werden, da sie die höchste Konzentration dieser Säure aufweisen. Speziell Kinder und Nierenkranke vertragen oxalsäurehaltiges Gemüse schlecht. Bei Intoxikation kommt es zu Krämpfen, Erbrechen und kann zur Herzlähmung führen. Akute Vergiftungen sind allerdings selten; es bedarf schon einer Menge von ca. 5 -15 g reiner Oxalsäure, um einen Menschen zu töten. Der Genuss der Rhabarberstiele - in Maßen - ist unbedenklich.

Unschön auch die cyanogenen Glykoside (chem. Zucker-Blausäure-Verbindungen) in Kichererbsen oder Maniok. Durch Enzyme und Wasser kann der Cyanwasserstoff = Blausäure aus der chemischen Verbindung wieder freigesetzt werden. Der Geruchsstoff Cumarin in Waldmeister oder Sellerie kann Kopfschmerz, Übelkeit und Atemlähmung bewirken, sogar zu Leber- und Nierenschäden führen.

Segen für die Medizin

Glykoside, Cumarine, Flavonoide: Es gibt kaum einen Verteter dieser Familien, der nicht auch heilende oder zumindest nützliche Wirkung hat: Herzwirksame Digitalisglykoside werden aus dem roten Fingerhut gewonnen, der ansonsten seinem Ruf als Giftpflanze alle Ehre macht. Bringt man Saponine mit Wasser zusammen, entsteht reinigender Schaum - (Saponin - lat. sapo - Seife). Cumarine gelten als gerinnungshemmend und antiödematös, Flavonoide hemmen Krebswachstum.

Die Dosis macht's. Eine ausgewogene Ernährung, sinnvoller Umgang mit Rohkost z.B. Verzicht auf bestimmte Gemüsesorten (wie etwa grüne Bohnen), Genuss in Maßen und was "Großmutter schon wusste" (grüne Kartoffeln wegwerfen, Kochwasser abschütten, Linsen vor Kochen einweichen u.s.w.) beherzigen: Das sind die simplen Garanten für eine gesunde Ernährung.

Guten Appetit.


Quellen:

medica.de
Tabula, Schweizerische Vereinigung für Ernährung
Uni-Hohenheim
giftpflanzen.com
home.t-online.de
Foodnews
Uni Hamburg
Humboldt Universität, Berlin
GEO Magazin 10/02
Institut für Chemie der Karl Franzens Universität (Graz)
Deutsche Gesellschaft für Ernährung