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Soja-Meer oder Cerrado?

Wer von Waldschutz spricht, darf Kolonisierung, Privatisierung und Abholzung von Waldflächen weder zulassen noch fördern. Doch gerade dies tut die Regierung Brasiliens im Namen von Entwicklung und Wirtschaftswachstum. Hauptopfer dieser janusköpfigen Politik ist der Cerrado, der noch vor dem Amazonasregenwald zu verschwinden droht.

Brasiliens Cerrado ist das artenreichste Savannenökosystem der Erde, und dennoch förderten Brasiliens Regierungen seit 1970er Jahren bis heute dessen systematische Kolonisierung, Abholzung und Umwandlung in Monokulturen. Nun warnt die Naturschutzorganisation Conservation International (CI) vor dem nahen Ende dieses einst zweitgrößten Bioms von Brasilien. Bei Abholzungsraten von derzeit über 6000 Quadratkilometern pro Jahr könnte der Cerrado bis 2030 gänzlich verschwunden sein. Von den ursprünglich knapp über zwei Millionen Quadratkilometern seien heute bereits 57 Prozent komplett zerstört und die Hälfte der übrigen Cerrado-Gebiete bereits stark geschädigt, so die Naturschutzorganisation. 

Hauptursache ist das kontinuierliche Vorantreiben der Agrarfront und des Straßenbaus von Zentral- nach Nord- und Nordostbrasilien. Mato Grosso do Sul, Goiás und Mato Grosso sind die Staaten mit den bis heute größten Cerrado-Verlusten. In diesen Staaten hat sich Abholzungsrate dieses Bioms inzwischenschlicht deshalb verringert, weil es dort kaum noch geeignete Cerrado-Flächen gibt. In Mato Grosso nimmt nun der Druck auf die restlichen Regenwaldgebiete des gleichfalls zur Amazonasregion gehoerenden Bundesstaates zu, während die Cerrado-Vernichtung nun verstärkt in den nördlichen und östlichen Nachbarstaaten, Maranhão, Tocantins, Piauí,  und Bahia voranschreitet. Diese neue Agrarfrontregion kurz MaToPiBa genannt, lockt vor allem Soja-Pflanzer aus Südbrasilien, Rio Grande do Sul und Paraná sowie US-amerikanische Soja-Farmer und Investoren in den Cerrado aufgrund der relativ geringen Bodenpreise und seiner ebenen, für den maschinellen Einsatz besonders geeigneten Flächen.

Spitzenreiter in der Cerrado-Abholzung war im vergangenen Jahr der Bezirk "Baixa Grande do Ribeiro" in Piauí, der 394 Quadratkilometer abholzte, so die aktuellen Zahlen des brasilianischen Umweltministeriums. Hauptursache des Kahlschlags: Ausweitung der Soja- und Mais-Monokulturen sowie Feuerholz- und Holzkohle-Produktion. Insgesamt habe der Cerrado im Zeitraum 2008/2009 sowie 2009/2010 über 14.000 Quadratkilometer verloren.

Die brasilianische Savanne ist zwar genauso wie der Amazonasregenwald traditionelles Territorium von Dutzenden von Indianervölkern. Doch bis heute ist nur ein geringer Teil des Cerrado als Indianergebiet anerkannt und vor Abholzung geschützt. Alle anderen Cerrado-Flächen sind im Prinzip Staatsland, das der Privatisierung und Kolonisierung zur Verfügung steht. Laut brasilianischem Waldgesetz, dem so genannten Código Florestal, darf jeder Grundbesitzer außerhalb der Amazonasregion (Amazônia Legal) 80 Prozent seines Cerrado-Bestandes kahlschlagen. Innerhalb der Amazônia Legal ist die erlaubte Cerrado-Abholzung auf 35 Prozent der Fläche beschränkt, doch in der Praxis hat sich dieses seit 1965 bestehende Waldgesetz nicht bewährt und über das Limit hinausgehende, sprich illegale Abholzungen kaum verhindert. Die seit 2005 von der Großgrundbesitzer- und Agrarbusiness-Lobby auf den Weg gebrachte Novelle des Código Florestal wird dies kaum verbessern können. Brasilianische und internationalen Regenwaldschutzorganisationen fordern eine Beibehaltung des "alten" Código Florestal und kritisieren die Reform vor allem weil sie eine Amnestie der illegalen Abholzer beinhaltet.

Um den Export von Soja-Bohnen und Soja-Schrot aus der MaToPiBA-Region sowie aus Mato Grosso und Goiás zu erleichtern, hat die Regierung Dilma Rousseff erst vergangenen Februar den Bau eines gewaltigen Soja-Hafens am Amazonas bei Belém angekündigt. Laut Tageszeitung Folha de São Paulo könnte der Hafen bereits 2014 fertig sein und jährlich 18.000 Tonnen Soja umschlagen, über 1000 Tonnen mehr als Brasiliens bislang größter Soja-Exporthafen Santos. Dies wiederum könnte noch mehr Soja-Investoren nach Nord- und Nordostbrasilien locken.

Schlechte Aussichten für den Cerrado.

 

Norbert Suchanek
Journalist und Autor
Internet: www.norbertsuchanek.org
E-Mail: norbert.suchanek(at)online.de