Ein Grund dafür ist nach Ansicht von Experten der Minimalkonsens von Kopenhagen, das sogenannte Copenhagen Accord. Es enthält einen Aufruf an die Teilnehmerländer, nationale Selbstverpflichtungen offenzulegen. Zwei aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich Klimaschutzanstrengungen weltweit derzeit von der internationalen auf tiefere Aktionsebenen verlagern.
So verzeichnet der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), Achim Steiner, in dem von UNEP und der Nichtregierungsorganisation AccountAbility im April veröffentlichten Climate Competitive Index einen „noch nie dagewesenen Anstieg konkreter Aktivitäten gegen den Klimawandel aus allen Bereichen der Gesellschaft“. Die Untersuchung von 95 Ländern analysiert Klimastrategien und tatsächliche Aktivitäten auf nationaler Ebene, um Aussagen über den Fortschritt hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, ihrem Innovationspotenzial und ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu treffen.
Laut dieser Studie hat fast die Hälfte aller untersuchten Länder klimapolitische Vorhaben leicht oder bedeutend ausgebaut. „Dies legt nahe, dass der Copenhagen Accord einen positiven Einfluss auf die Initiativen für eine nachhaltigere Wirtschaft hatte“, folgern die Autoren. So wolle beispielsweise Deutschland die Beschäftigungszahlen im Bereich erneuerbarer Energien durch Unterstützung kleiner und mittlerer Firmen von derzeit 250.000 auf 650.000 Jobs erhöhen.
Die Deutsche Bank veröffentlichte im März 2010 die vor allem an Investoren gerichtete Studie The race is on, die belegt, dass seit Oktober weltweit 154 neue Emissionsziele und unterstützende Politikmaßnahmen bekanntgegeben wurden. Dies sei die „größte je ermittelte Anzahl zum Klimathema in einem viermonatigen Zeitabschnitt“. Die Autoren der Studie folgern: „Der Fortschritt kann direkt auf den Klimagipfel und den Copenhagen Accord zurückgeführt werden.“
Die vergeblichen Versuche in Kopenhagen, ein verbindliches multinationales Abkommen zu Stande zu bringen, zeigten, dass Lösungen eher im nationalen und regionalen Politikrahmen zu finden seien. Als Beispiel führt die Studie unter vielen anderen die Verpflichtung Japans aus dem Januar 2010 an, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um 25 Prozent zu senken, ausgehend vom Ausstoß im Jahre 1990. Ebenso benennt sie das Clean Energy Cashback-Programm in Großbritannien von Februar 2010, das Einspeisungssubventionen für die Haushalte und stationäre Anlagen festlegt.
Dass Initiativen vermehrt national in Gang gebracht werden, beobachtet auch Sönke Kreft, Klima-Referent bei der Nord-Süd-Initiative Germanwatch. Oft seien diese Bewegungen international jedoch nicht sichtbar: „Aus Angst den Druck der Verbindlichkeit auferlegt zu bekommen“, vermutet Kreft, „zeigen die offiziellen Ziele der Länder nicht alles, was wirklich geschieht.“
Kreft weist aber auch auf neue internationale Initiativen weit unterhalb der Regierungsebene in Folge des Kopenhagener Gipfels hin, etwa das Great Power Race. Hierbei wetteifern studentische Organisationen aus China, Indien und den USA darum, wer nach einem Punktesystem die wirksamsten und kreativsten Aktionen für Klimaschutz im Energiesektor startet. Die einzelnen Projekte werden online registriert, vorgestellt, dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Organisatoren erwarten zunächst über 500 Anmeldungen von Universitäten in jedem Land. Ab dem Herbst wird es darum gehen, welche Campus-Gruppen zum Beispiel meisten Solarflächen installieren oder Seminare zum Thema anbieten. Ein Hauptmotiv der Great-Power-Race-Organisatoren ist nach eigenen Angaben, junge Menschen rasch in die angestrebte Transformation des Energiesektors einzubinden, anstatt weiter auf politische Führung zu warten.
Quelle: „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, www.nachhaltigkeitsrat.de.