Konzerne, internationale Investoren, Großgrundbesitzer und Oligarchien in Südostasien, in Melanesien, Lateinamerika und Afrika verdienen sich mit Ölpalmen eine Goldene Nase, auf Kosten von Ureinwohnern und anderen lokalen Bevölkerungsgruppen - und auf Kosten artenreicher Tropenwälder und Kulturlandschaften. In diesem Fahrwasser schwimmt auch die industrialisierte Biobranche mit, die auf Produkte wie Bio-Margarine oder Bio-Waschmittel hergestellt mit importierten Bio-Billig-Palmfetten - aus umstrittenen kolumbianischen Plantagen sowie aus von "Demeter-Brasilien" zertifizierten Konzern-Plantagen im brasilianischen Amazonasgebiet - nicht verzichten will. Die Bio-Branche knüpft damit direkt an die deutsche Kolonialgeschichte an, denn Palmfett und Palmkernöl waren die mit wichtigsten Kolonialwaren der deutschen "Schutzgebiete".
Elaeis guineensis, so heißt die in Westafrika heimische Ölpalme unter Botanikern. Das aus dem Fleisch ihrer Früchte gewonnene dunkelrot bis orange-gelbe Öl ist das traditionelle Brat- und Kochöl vieler afrikanischer Völker. Wie Kokosfett ist auch Palmöl bei Zimmertemperatur fest und dank seiner langkettigen gesättigten Fettsäuren gesund und ideal zum Braten und Frittieren. Traditionell nutzen die Westafrikaner aber nicht nur die Früchte, sondern fast die gesamte Pflanze. Aus den Fruchtkernen wird Palmkernöl gepresst, der getrocknete Ölkuchen fand als “Feuerholz†Verwendung oder wurde an das Vieh verfüttert. Palmblätter dienten und dienen als Bast zur Herstellung von Besen, Körben, Fischereigeräten, Fackeln und finden außerdem im Hausbau Verwendung. Früher wurden zudem die Blattspreiten zur Gewinnung von „Salz“ verbrannt, die Wurzeln sowie die jungen Blätter als Heilmittel verwandt und das termitenresistente Stammholz für den Bau von Zäunen und Hütten genutzt und diente am Ende schließlich auch noch als Feuerholz. Doch das mit wichtigste traditionelle Produkt von Elaeis guineensis ist bis heute Palmwein, gewonnen aus dem Saft des Palmstammes.
Bis heute spielt Palmwein in der Elfenbeinküste eine maßgebende Rolle bei Ernährung und Einkommenssicherung. Der Konsum von Palmwein mache in den untersuchten Dorfgemeinschaften über zehn Prozent des Kalorienbedarfs, so die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ).
Palmölexporte ersetzen Sklavenexporte
Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts waren schwarze Sklaven das wichtigste Exportprodukt der westafrikanischen Kolonien. Doch die industrielle Revolution in Nord- und Zentraleuropa, die nicht rein zufällig mit dem Vorbot des Sklavenhandels zusammenfällt, verlangte nach neuen "Rohstoffen" als Energie und Fettquelle. Palmöl und Palmkerne wurden zum wichtigsten Exportrohstoff Westafrikas, während die unterdrückten schwarzen Bevölkerungen - statt in die USA oder nach Brasilien exportiert zu werden - nun auf den kolonialen Ölpalmplantagen des eigenen Kontinents schuften durften.
Das Palmöl und aus dem Kern gepresste Palmkernöl dienten der aufstrebenden Industrie in England, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und natürlich Deutschlands zunächst als Schmier- und Brennstoff der Fabriken sowie als Fett zur Herstellung von Kerzen und Seifen. Die industrielle Revolution war aber gleichzeitig auch eine Nahrungsmittelrevolution. Es galt für das zunehmende, schlecht bezahlte Heer der Industriearbeiter neue bezahlbare, aber ebenso "nahrhaften" Lebensmitteln zu erfinden. Wissenschaftler aus Frankreich und dem deutschsprachigen Raum glaubten schließlich zu Ende des 19. Jahrhunderts den Stein der Weisen in Form von Margarine gefunden zu haben. Sie bestand damals hauptsächlich aus "Reststoffen", Restfetten aus Fleischproduktion und Milchverarbeitung sowie aus Kokos- und Palmkern- und Palmölen billig importiert aus den Kolonien. Der heutige Nahrungs- und Waschmittelweltkonzern Unilever (Jurgens und Van der Bergh) begann damals seinen Aufstieg 1872 mit dem Bau der ersten Margarinefabriken in den Niederlanden. Die Marke `Rama´ führte das Weltunternehmen 1924 "innerhalb weniger Tage in einer beispiellosen Kampagne in Deutschland ein", so Unilever.
Palmöl im Aufschwung
Im Jahre 1913 standen in den deutschen "Schutzgebieten" Westafrikas bereits über 5000 Hektar Ölpalmplantagen. Auch in Deutsch-Neuguinea versuchte das deutsche Reich bereits die Palmölproduktion. Vor allem aber in Kamerun gelte es, so das Deutsche Kolonial-Lexikon von 1920, "die ungeheuren Bestände wilder oder verwilderter Palmen zu pflegen und regelrecht auszubeuten. Zu diesem Zweck ist in Kamerun vor Kurzem durch das Gouvernement eine eigene Organisation, die Ölpalmen-Inspektion, eingerichtet worden." Im Jahre 1912 holte das deutsche Reich aus Westafrika rund 7000 Tonnen Palmöl und fast 30.000 Tonnen Palmenkerne heraus. "Die Ölpalme Elaeis guineensis L. ist die wichtigste Nutzpflanze des tropischen Westafrika", schreibt das Kolonial-Lexikon. "Bei weitem der größte Teil alles Palmöls wird vorläufig noch von den Eingeborenen in höchst primitiver Weise gewonnen durch Kochen oder Digerieren der frischen Früchte, Ausstampfen der Masse und rohe Trennung des abgeschiedenen Öls von Fruchtfleisch und Kernen." Doch mit der Mechanisierung der Palmölherstellung seien "im höheren Sinne ungemein günstige Aussichten eröffnet und neue wirtschaftliche Grundlagen geschaffen worden. Dementsprechend nimmt der Anbau in Europäerbetrieben in Kamerun erfreulichen Aufschwung."
Dieser "Aufschwung" setzt sich heute im 21. Jahrhundert im besonderen Masse zum Leidwesen von Artenvielfalt, lokalen Bevölkerungen und traditionellen Landrechten in vielen Tropenländern fort, obwohl es offiziell längst keine Kolonien mehr gibt.
Obwohl die negativen Folgen des Palmoelbooms vor allem in Suedostasien laengst von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen weltweit angeprangert werden, geht die Zerstoerung weiter. Selbst in Amazonien werden mehr und mehr Oelpalmen gepflanzt mit unterstuetzung der brasilianischen Regierung.
Norbert Suchanek
Journalist und Autor
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E-Mail: norbert.suchanek(at)online.de