Dies änderte sich auf einen Schlag, als vor kurzem Sakhalin Energy, ein von Shell geführtes Konsortium, in den Fokus der russischen Umweltschutzbehörden geriet. Das Konsortium plant auf der Insel Sachalin in den nächsten Jahren 150 Mio. Tonnen Öl und 500 Mrd. Kubikmeter Gas zu fördern. Doch das russische Ministerium für Naturressourcen droht mit Baustop, da es Umweltauflagen verletzt sieht. Kritiker und ausländische Medien dagegen vermuten wirtschaftliche Interessen der Regierung als eigentlichen Beweggrund.
In der vergangene Woche räumte Russlands Minister für Naturressourcen, Yuri Trutnev, Fehler der eigenen Behörden sowie verschleppte Prozesse ein. Der Leiter der Umweltbehörde vor Ort musste mittlerweile seinen Platz räumen. Ihm wurde vorgeworfen, die Missstände bewusst übersehen zu haben. Auch Shell hat das eigene Fehlverhalten zum Teil eingestanden und sieht sich doch von Moskau schikaniert.
Neben gegenseitigen Schuldzuweisungen und taktischen Manövern wird eins leicht übersehen: Umweltschützer und einheimische Bevölkerung kämpfen seit langem gemeinsam für den Erhalt von Sachalin. Ihre Probleme sind echt und ernst zunehmen. Bereits heute sind Laichregionen von Krabben, Seeigel und Lachsen zerstört. Der Pipelineausbau führt zu verschlammten Flussbetten, in denen keine Fische mehr leben können. Die Konzerne nehmen dies mutwillig in Kauf. Sie bauen unerlaubt Trassen und holzen dafür massiv Wälder ab. Ihre technisch fehlerhaften Leitungen verseuchen die Gewässer mit Chemikalien, Öl und Schwermetallen, die Fische und Meeressäuger bedrohen. Darunter die letzten, der vom aussterben bedrohten Grauwale.
Bereits im September beschloss der Deutsche Bundestag einen Antrag zum Schutz der Grauwale. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, sich im Direktorium der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) gegen eine Bewilligung des von Sakhalin Energy gestellten Finanzierungsantrags durch die Bank auszusprechen. Dies ist ein erster Schritt für den Erhalt der Natur von Sachalin; der zweite kann nur gemeinsam mit Moskau folgen.
Auch wenn die Kritik gegenüber der Motivation der russischen Umweltbemühungen zum Teil berechtigt scheint, so besteht im derzeitigen Verhalten der Russen auch eine Chance, in dem sie als Einladung zum Dialog über Umweltstandards betrachtet wird. Bereits zu Beginn dieses Jahres konnte durch einen deutsch-russischen Dialog der Verlauf einer Pipeline in unmittelbarer Nähe des Baikalsees verhindert werden. Ihm voraus gingen massive Proteste von Umweltschützern und lokaler Bevölkerung. Damals wertete das deutsche Bundesumweltministerium die Entscheidung als Signal der russischen Regierung, dem Naturschutz bei der Erschließung der großen Rohstoffvorkommen einen höheren Stellenwert beizumessen. Vielleicht wird es Zeit die Vorurteile beiseite zu legen und der russischen Regierung die Chancen für einen Neuanfang zuzugestehen?
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