Offener Brief an den Bundespräsidenten
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
mit großem Amüsement habe ich heute Ihre Rede zur Verleihung des Deutschen Umweltpreises im Radio gehört und frage mich, woher Sie den Optimismus für Ihre Rede nehmen — z.B. wenn Sie das Verhältnis Ökonomie zur Ökologie als ja quasi sich gegenseitig befruchtend schildern.
Mein Hobby Imkerei ist die Imkerei und ich sehe seit Jahren eine immer schlechtere Entwicklung der Imkerei durch behördliche Gängelei, staatliche Abzockerei und staatlich legitimierte professionelle Umweltvergiftung.
Sie meinen, das sei zu hart formuliert? Tatsächlich? Werfen Sie doch einmal einen Blick in das Pflanzenschutzgesetz! Der Begriff „bienenungefährlich“ auf einem Pflanzenschutzmittel bedeutet, daß bei Anwendung eines solchen Pflanzenschutzmittels von 100 damit kontaminierten Bienen binnen 48 h 49 Bienen sterben dürfen und am dritten Tag der Rest, dann ist das Mittel bienenungefährlich. Toll, nicht wahr? Und wenn wie in der Landwirtschaft nicht unüblich, sogenannte Cocktails gemischt werden, die aufgrund chemischer Reaktionen dann direkt bienengefährlich werden, bedarf das keiner besonderen Änderung der Arbeit. Ich will hier gar nicht erst die Problematik des Anbaus von GVO anführen, in diesem Zusammenhang war es schön zu sehen, wie verdutzt deutsche Politiker aus der Wäsche schauten, als ruchbar wurde, daß es da dieses komische Prinzip von den Bienen und den Blumen gibt... sowas aber auch, da fliegen Bienen doch glatt von Blüte zu Blüte und verteilen Pollen. Die fragen noch nicht einmal und in ihrem Fleiße fliegen sie durchaus den einen oder anderen Kilometer, um etwas zu finden und zu verteilen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen, Herr Bundespräsident, doch vorschlagen, daß Sie das Recht auf Ausfertigung von Gesetzen am besten gleich an die entsprechenden Institutionen übertragen. Zum Beispiel alles, was den Bereich Pflanzenschutz und GVO betrifft, direkt zur Marketingabteilung von Bayer. Wer liest schon das Bundesgesetzblatt — den Beipackzettel dann vielleicht schon eher.
Bayer/Monsanto & Co. haben bei mir durchaus den gleichen Sympathiewert wie ein gewisser bärtiger Herr aus dem Orient mit seiner Vorliebe zu spektakulären Flugzeuglandungen — geschmacklos, zynisch aber passend! Der hat wenigstens noch Werte, die zwar sehr fragwürdig sind — wobei, wenn ich die Sure „Die Bienen“ lese... müßte man mal drüber nachdenken...
Mittlerweile sollen wir Imker sogar aufgrund der neuen FFH-Richtlinie zum Umweltschutz aus den Naturschutzgebieten vertrieben werden, alldieweil wir nun einmal in der Sommersaison alle 8 — 14 Tage mit dem Auto zu imkerlichen Arbeiten an den Bienenstand fahren müssen. Wir Imker sind ja bekannt für unsere vielachsigen 38Tonner, die den empfindlichen Boden der Naturschutzgebiete aufreißen; ganz im Gegensatz dazu die pflegeleichten, quasi über den Boden schwebenden Panzer unserer Gurkentruppe aus dem Hause Struck, deren Spielplätze durchaus im Naturschutzgebiet liegen dürfen. A propos Naturschutzgebiet und Wälder, haben Sie schon mitbekommen, was dieser Alpen-Aborigine Ede S. aus M. in B. da klammheimlich plant? Die Privatisierung der bayerischen Staatsforsten, wobei wir Imker mal wieder den kürzeren ziehen. In angrenzenden Gebieten führte eine Privatisierung der Forsten schon zu Steigerungen von 600% an Standgebühren für Waldimker. Und wo die Imker nicht spuren, wird ein Vorsitzender eines LVBI (Landesverband bayerischer Imker — kann man auch mit „Langsam verschwinden Bienen und Imker“ übersetzen) in seiner Eigenschaft als Zollbeamter flugs daran erinnert, wer der Landesherr ist und mit was man als Beamter von diesem zu rechnen hat.
Die Landwirtschaft wird doch subventioniert? Ja? Wo? Wir Imker jedenfalls nicht. Wenn meine spanischen Kollegen aus EU-Mitteln schon eine Bestäubungsprämie von 21 € / Bienenvolk erhalten sowie bei betrieblichen Investitionen Zuschüsse von bis zu 50% gewärtigen können, in den anderen mediterranen Ländern ist es ähnlich, so erhalten die deutschen Berufsimker nichts. Einfach aus dem Grund, weil die Bundesländer das nicht für nötig halten — auch so entsteht eine Wettbewerbsverzerrung. Und wo wir gerade beim Thema Wettbewerb und Arbeit sind; in Deutschland werden noch etwa 15.-18.000 Tonnen Honig produziert. Jedoch werden 100.000 Tonnen verbraucht und der Rest muß aufwendig importiert werden, oftmals mit fragwürdiger, teilweise sogar gesundheitsgefährdender Qualität wie im Falle von China. Chinesischer Honig hatte eine Zeitlang Rückstände von Chloramphenicol, ein cancerogenes Mittel, welches nicht wirklich gesundheitsfördernd ist.
Es gibt noch etwa 3.500 Imker, welche mit gewerblichem Hintergrund arbeiten, Tendenz stagnierend im Gegensatz zum rückläufigen Hobbyimkerbereich. Rechnen Sie einmal pro Berufsimker 200 Bienenvölker à 40.000 Bienen, dann haben Sie 3.500 Arbeitsplätze auf Leitungsebene mit 28.000.000.000 Einzelarbeitsplätzen! Wo ist da der Kanzler? Nun würden wir Imker den Landwirten gern das Saatgut zur Verfügung stellen, eventuell sogar für die entsprechende Bearbeitung der Flächen etwas zahlen, damit auf insgesamt 1 Million ha bestehender deutscher Stillegungsfläche/Grünland mal wieder das eine oder andere Blümlein blüht und unseren Mädels etwas zu sammeln bietet. Das darf nach offizieller Landwirtschaftspolitik nicht sein, denn das wäre ja wieder eine landwirtschaftliche Nutzung! Unbeschadet der Tatsache, daß wir Imker nun wahrlich nicht zu den Überschußproduzenten zählen sondern gar nicht genügend Honig produzieren können... Nebenbei bemerkt, könnte davon auch der Naturschutz in Gestalt zu schützender Wildbienen oder Schmetterlinge profitieren und es wäre ein passender Ausgleich für die von der Landwirtschaft abgespritzten Begleitpflanzen in Getreidefeldern. Ihre Generation kennt doch noch Kornfelder mit Kornblumen, was jetzt keine Anspielung auf Ihr Alter sein soll, sondern einfach eine Tatsache. Vergleichen Sie einmal die Getreidefelder Ihrer Kindheit mit den heutigen Agrarwüsten....
Manchmal frage ich mich, ob wir nicht mal wieder einen netten kleinen Krieg oder einen ähnlichen gesellschaftlich-politischen Zusammenbruch brauchen...
Nichts für ungut...
Fridolin Brandt