Sie befinden sich hier:
Startseite->Artikel->War das was? Zum Verlauf und den Ergebnissen der Bonner Klimakonferenz

War das was? Zum Verlauf und den Ergebnissen der Bonner Klimakonferenz

Bonn, www.ne-na.de - Viele Deutsche verstehen sich als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Gerade deshalb verwundert das geringe Interesse der deutschen Medien an der am 26. Mai in Bonn zu Ende gegangenen UN-Klimakonferenz. Eine DPA-Meldung vom gleichen Tag, die sich an die offizielle Presseerklärung des UN-Klimagremiums UNFCC anlehnte und die das Verhandlungsergebnis falsch wiedergibt, ist alles, was sich in den deutschen Medien zu Verlauf und Ergebnissen des Mammutereignisses findet.

Immerhin handelte es sich bei der Bonner Klimakonferenz um eine 12tägige, internationale Großveranstaltung mit registrierten 1753 Teilnehmern, entsandt von 161 Regierungen, 118 Nichtregierungsorganisationen und weiteren internationalen Organisationen. Allein die offizielle deutsche Delegation umfaßte mehr als 40 Personen. Dennoch erlahmte das öffentliche Interesse nach der engagierten Eröffnungsrede des Umweltministers Sigmar Gabriel (SPD) sehr schnell.

Lag es am mangelnden Engagement der Journalisten? Mit Sicherheit. Immerhin bedeutet die Berichterstattung über den Kyoto-Prozeß für sie, hunderte Seiten offizieller Dokumente durchzuarbeiten, die zumeist nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind. Das Verständnis der hochkomplexen Materie wird weiter erschwert, weil nicht unbedingt alles, was dort zu lesen ist, Sinn macht. Auch sonst kann nicht erwartet werden, daß Umweltjournalisten, die die Errichtung eines globalen Klimaregimes seit Jahren wohlwollend begleiten, jetzt plötzlich objektiv werden.

Ist die Nachrichtenflaute auf die UNFCC selbst zurückzuführen? Auch das trifft zu. Oft wird bei den von ihr vorgelegten Dokumenten nicht recht klar, ob es sich dabei um Beschlüsse oder nur Schlußfolgerungen im Sinne von "Schön, daß wir mal wieder darüber geredet haben!" handelt. Und als DPA am 26. Mai vermeldete, man habe sich auf ein "Programm" geeinigt, dann klingt das zwar nach einem Ergebnis, bedeutet aber nichts anderes, als daß die Mammutkonferenzen nach dem bisherigen Schema weitergehen sollen. Mit anderen Worten: Ein Abbruch des Kyoto-Prozesses (und das Ende der globalen Reiseaktivitäten vieler Klimakader) konnte noch einmal abgewendet werden.

Wenn der Arbeitsgruppenvorsitzende Michael Zammit Cutajar am Ende der Konferenz erklärt, es bestehe ein "Konsens" darüber, daß "ein nahtloser Übergang nach 2012 notwendig ist", so bedeutet das, daß die UN-Klimabürokratie weiterhin nicht gewillt ist, auf die Kritik führender Industriestaaten und großer Schwellenländer einzugehen. Damit wird jedoch ein Totalausstieg weiterer Staaten wieder wahrscheinlicher.

Und wenn Richard Kinley, amtierender Exekutivsekretär des UN-Klimasekretariats, behauptet, Industrie- und Wirtschaftsvertreter hätten wie die Delegierten aus den Entwicklungsländern noch drastischere Emissionsreduktionen gefordert, so bestätigt das nur den Eindruck früherer Konferenzen, daß führende UN-Vertreter an selektiver Wahrnehmung leiden. Die Gutachten der deutschen Wirtschaftsverbände und einzelner Unternehmen zum 2. Nationalen Allokationsplan der Bundesregierung sprechen eine deutlich andere Sprache.

Vielleicht hatte auch die Bundesregierung selbst ein gewisses Interesse, von der Kyoto-Konferenz vor der eigenen Haustür abzulenken. Wie vielen Journalisten droht auch ihr bei einem Scheitern von Kyoto ein totaler Gesichtsverlust. Gegen ihren Willen wird immer klarer, daß sie den Belastungen, die aus Verpflichtungen zu weiteren Emissionsreduktionen erwachsen, angesichts der Wirtschaftskrise im eigenen Land lieber heute als morgen entkommen will, zumal sich mit Kanada gerade ein weiterer wichtiger Industriestaat aus dem Kyoto-Prozeß verabschiedet.

Neben Standortfaktoren dürfte ideologiefreien Pragmatikern wie den beiden zuständigen Ministern Gabriel und Glos zudem der Weltrettungspathos der Klimagemeinde zutiefst zuwider sein. Vielleicht haben sich beide mittlerweile sogar die Zeit genommen, einmal selbst über die wirren Konzepte, die von internationalen Klimakonferenzen ernsthaft diskutiert werden, nachzudenken. Dann müßten sie zu dem Schluß gekommen sein, daß sich der ganze Aufwand nicht nur nicht lohnt, sondern diese auch überhaupt keinen Sinn ergeben.

Was hingegen in Bonn wirklich passierte, ist nur schwer zu erfahren. Aus kanadischen Regierungskreisen verlautete, daß die Unterstützung für die Linie der neuen konservativen Regierung weit größer war, als bisher berichtet. Diese fordert, neue Emissionsziele für die Zeit nach 2012 erst dann festzulegen, wenn die bisherigen Emissionsreduktionen ausgewertet worden sind. Das sei die einzige Möglichkeit für viele gewesen, überhaupt weiter mitzumachen. Neue Ziele müßten sich vor allem an aktuellen nationalen Gegebenheiten und weniger am "Status quo" - dem Kyoto-Protokoll (!) - orientieren.

Ein offizielles UN-Dokument, das bisher nirgendwo zitiert wird, eine "Synthese der Berichte, die Fortschritte gemäß Artikel 3, Paragraph 2 des Kyoto-Protokolls zeigen", stützt diese Einschätzung. Beschlossen wurde nämlich nur, dieses Thema zu vertagen. Dabei handelt es sich jedoch um nichts geringeres als um die Berichte über die Fortschritte bei den Emissionsreduktionen in den Kyoto-Unterzeichnerstaaten! Anscheinend gibt es ausgerechnet hier wenig zu berichten.

Ein weiterer Streitpunkt war die Prioritätensetzung. Der bizarren Logik von Kyoto zufolge muß Vorbeugemaßnahmen Vorrang vor Anpassungsmaßnahmen eingeräumt werden, da eine Verhinderung des Klimawandels letztere erübrige. In der Praxis bedeutet das vorrangige Investitionen in treibhausgasreduzierende Technologien anstelle von Hochwasserschutz oder den Bau von Bewässerungssystemen als Reaktion auf klimatische Veränderungen. Daß das in Wirklichkeit eine Eskalationsstrategie ist, die die von Wetterextremen betroffene Bevölkerung in die Arme der grünen Heilsapostel treiben soll, kann man nicht nur in Michael Crichtons Roman "Welt in Angst" nachlesen.

Rona Ambrose, die neue kanadische Umweltministerin und Präsidentin der Bonner Konferenz, behauptete, daß ihr alle Vertreter der Industrieländer Recht gegeben hätten. Zwischen den Vertretern entwickelter Länder habe "keinerlei Dissens" bestanden - hinter den Kulissen. Nicht nur Großbritannien, sondern auch Japan hätte vor zu weitgehenden Maßnahmen gewarnt und mit einem Austritt gedroht, bestätigte Arbeitsgruppenvorsitzender Michael Zammit Cutajar laut Magazin "USA Today". Dagegen hatten noch am 20. Mai kanadische Oppositionspolitiker gefordert, die komplette kanadische Delegation auszutauschen, da sie die Verhandlungen "unterminiere".

Wir halten fest: Es gab jede Menge Streitereien, aber keine Berichte über den Stand der Emissionsreduktionen und keinen Zeitplan für künftige Verhandlungen. Aber es herrschte Einigkeit darüber, daß es irgendwie weiter gehen soll. Und es zeigte sich einmal mehr, wie wenig ausgeprägte Meinungen zum Weltklima mit fundierter Information und seriöser Medienberichterstattungen zu tun haben - gerade in Deutschland.

Online-Nachrichtendienst "NeueNachricht" (www.ne-na.de)