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Widerstandsfähigkeit gegen den Menschen

Vom 7. bis 10. April treffen sich in Zürich über 300 Experten aus 30 Ländern zur Jahrestagung der Gesellschaft der Tropenökologie (GTÖ). Das Motto lautet „Resilienz in tropischen Ökosystemen — Herausforderungen und Chancen". Ein Großteil der über 200 Vorträge und Poster zielt auf die Frage, wie menschlich geprägte Ökosysteme so widerstandsfähig gestaltet werden können, dass sie weiterhin ihre ökologischen Funktionen ausüben können, von denen auch die menschliche Bevölkerung essenziell abhängt. Denn die zunehmend intensiven Nutzungen hinterlassen tote Räume ohne biologische Vielfalt und schwerwiegenden gesellschaftlichen Problemen. Die Erforschung alternativer Methoden, die auf Vielfalt von Arten und Leistungen abzielen, bedürfen eines neuen Verständnisses auch in der Forschung: Selbst Tropenökosysteme sind heutzutage Lebensräume des Menschen.

Unberührte Natur außerhalb jeglichen Einflusses menschlicher Zivilisation gibt es so gut wie nicht mehr. Die rasant wachsende menschliche Bevölkerung drängt immer mehr in ursprüngliche Gebiete vor und nutzt die Ressourcen der Natur. Meist nicht nachhaltig. „Nur 10 % der tropischen Regenwälder befinden sich in Schutzgebieten. Die reichen nicht aus, um die biologische Vielfalt in den Tropen zu erhalten", sagt der Tagungsleiter Chris Kettle von der ETH Zürich im NeFo-Interview. Vor allem aber gehen auch die vielfältigen Leistungen dieser Ökosysteme verloren, die die Menschen nutzen, wie etwa Buschfleisch, Brennholz oder Trinkwasser vor Ort, oder global die Regulation des Klimas sowie des Kohlenstoff- und Wasserhaushaltes.

„Um künftig widerstandsfähige tropische Ökosysteme sicherzustellen, die eine breite Palette von Leistungen bereitstellen, ist die Erhaltung der Artenvielfalt auf all ihren Ebenen unumgänglich", schreibt die GTÖ auf Ihrer Konferenzwebseite. Und zwar gerade in den genutzten Gebieten. Allerdings, so monieren die Leiter der ersten Session, konzentrierten sich ökologische Studien bisher auf unberührte Altbestands-Wälder, während die Dynamik der Waldwirtschaft in den Tropen weitgehend unerforscht bleibe.

Dieser Tatsache sieht die Gesellschaft bei ihrer diesjährigen Jahrestagung ins Auge, indem sie das Thema „Resilienz" in den Fokus rückt. „Wir müssen die Nutzung so gestalten, dass die Systeme widerstands- oder anpassungsfähig auch gegenüber unvorhergesehenen Störungen sind, wie etwa künftig vermehrt auftretenden Dürren", meint Chris Kettle. Denn dass menschliche Nutzung auch in den Biodiversitätshotspots der Tropen weiter zunimmt, ist unumgängliche Realität. Doch inzwischen zeigt sich, dass gegengesteuert werden muss, soll diese Nutzung dauerhaft zu menschlichem Wohlergehen beitragen. Hier ist zunehmend eine interdisziplinäre Forschung gefragt.

Robin Chazdon von der Universität Connecticut, die die Konferenz am Montag mit einem Keynote-Vortrag einleiten wird, spricht von einem neuen Paradigma: Widerstandsfähigkeit und Ökosystemverantwortung, das sogenannte Stewardship-Konzept. Auch diese Idee zeigt, dass das Bild vom undurchdringlichen und menschenfeindlichen Urwald veraltet ist. Das Schicksal des riesigen Schatzes an Artenvielfalt liegt in den Händen der Menschen.

Wie verantwortungsvolle Nutzung aussehen kann, zeigen verschiedene Beispiele, die auf der Tagung vorgestellt werden, etwa Bio-Kaffee-Produktion, FSC-zertifizierte Waldbewirtschaftung oder nach RSPO-Nachhaltigkeitskriterien produziertes Palmöl. Denn dass auch Ölpalmen nicht als Monokulturen angebaut werden sollten, zeigt Miriam Teuscher von der Universität Göttingen, die in Session 5 am Mittwoch erste Ergebnisse vorstellt. Auf Versuchsflächen auf Sumatra untersucht sie, ob mit zwischengepflanzten heimischen Baumarten die Vielfalt von Vögeln und Insekten erhöht werden kann. Dabei geht es nicht nur um die Wiederherstellung der Vielfalt an sich. Vögel könnten hier einen entscheidenden Beitrag zur Schädlingsbekämpfung leisten und Insektizide sparen.

Leider, so Chris Kettle, fänden solche Lösungen noch viel zu wenig Anwendung. Aber das sei das Potenzial von Wissenschaftlichen Gesellschaften wie der GTÖ: Der Politik ein umfassendes und glaubwürdiges Bild zu liefern und auf zukunftsfähige Lösungen hinzuweisen.

Opens external link in new windowZum Artikel von Sebastian Tilch und dem NeFo-Interview mit Tagungsleiter Chris Kettle

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