Normalerweise reagiert der Mensch auf besonders seltene Dinge mit besonderer Wertschätzung. Ist etwas selten, bekommt es fast automatisch das Attribut wertvoll. Dieses Prinzip lässt sich überall beobachten, sei es bei Edelsteinen und Edelmetallen, Gemälden großer Künstler oder bei Briefmarken. Wer hat noch nicht von der „Blauen Mauritius“ gehört! Die Wertschätzung für diese Dinge wird in aller Regel auch nicht nur von einer kleinen Interessengemeinschaft geteilt, sondern kann in den meisten Fällen auf das Gros der Menschen übertragen werden. Dies liegt natürlich nicht zuletzt daran, dass all diesen Dingen ein hoher finanzieller Wert beigemessen wird.
Auf selten gewordene Tierarten reagiert die menschliche Gesellschaft aber anders als auf andere seltene Dinge. Die Reaktionen sind unterschiedlicher und reichen von Erstaunen über Betroffenheit bis hin zu Desinteresse. Dass ein seltenes Tier von uns nicht sofort mit dem Attribut „wertvoll“ versehen wird, kann man sowohl als positiv als auch als negativ werten.
Warum positiv?
Da die meisten Menschen, wie oben erwähnt, mit „wertvoll“ erst mal den finanziellen Wert einer Sache verbinden, kann man daraus folgern, dass ein seltenes Tier offensichtlich nicht unmittelbar als potentielle lukrative Geschäftsmöglichkeit eingestuft wird. Dies liegt natürlich daran, dass es sich inzwischen als recht schwierig erweist, ein seltenes Tier zu kaufen oder zu verkaufen. Zum Glück!
Hinzu kommt sicherlich, dass sich bei vielen Leuten das Gewissen regen würde (das hoffe ich zumindest!), kämen sie in die Situation, sich am Leben eines seltenen Tieres zu bereichern.
Dass mit einem seltenen Tier nicht das Attribut „wertvoll“ verbunden wird, ist dagegen als negativ anzusehen, wenn wir „wertvoll“ nicht materiell sondern im ideellen Sinne verstehen. Meist ist man bekümmert über die Nachricht, dass jedes Jahr viele Tier- und Pflanzenarten von unserem Globus für immer verschwinden.
Bekümmert? - Reicht das?
Natürlich lässt einen das Schicksal all dieser Tiere nicht kalt. Dass wir aber dabei sind, uns selbst die Schlinge um den Hals zu legen, soweit reichen die Überlegungen bei noch viel zu wenigen Leuten. Kaum ein Lebewesen kann einzeln für sich betrachtet werden. Jede Art steht in Beziehung zu anderen Arten, füllt eine Nische in ihrem Ökosystem, dient als Nahrung für andere und ernährt sich von anderen. Jede Art die verschwindet hinterlässt ein Vakuum, das oft schwerwiegende und kaum vorab überschaubare Auswirkungen auf seine Umwelt hat. Erst unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, sollte der eigentliche Wert jeder Art erkannt werden, denn letztlich werden wir es sein, die am eigenen Leib die Auswirkungen all dessen erfahren werden.
Die Liste der stark bedrohten Tierarten ist lang: www.redlist.org
Der Mensch jagt sie, zerstört ihre Lebensräume, vergiftet ihre Nahrungsquellen. Alarmierend ist derzeit besonders die rapide steigende Anzahl an unfruchtbaren Tieren, besonders an im Wasser lebenden Tieren. Dass sich diese Entwicklungen auch schnell auf den Menschen ausweiten, kann man im folgenden Artikel nachlesen: Hormoncocktail im Trinkwasser
Wer weiß was es für Folgen hat, wenn wir alle Wale ausrotten?
Vielleicht kaum welche, die uns direkt betreffen. Aber möglicherweise fliegt der Bumerang nur einen weiten Boden, um schließlich doch zu treffen.
Für komplexe und hochempfindliche ökologische Zusammenhänge gibt es viele Beispiele.
In unseren Breiten war z.B. der Biber über Jahrtausende eine feste Größe was die Gestaltung von Flussauenlandschaften betraf. Dann wurde er vom Mensch durch die Jagd auf seinen begehrten Pelz an die Grenze der Ausrottung gebracht. Erst heute, nachdem die Wiederansiedlung des Bibers in einigen Gebieten gelungen ist, wird man sich bewusst, wie wichtig das Tier für das jeweilige lokale Ökosystem war: Nachdem man sich endlich darüber klar geworden ist, dass Flussbegradigung und die Zerstörung der Auwälder, die natürliche Hochwasserauffangbecken waren, immer wieder zu verheerenden Überflutungen führt, bemüht man sich, die Auwälder zu schützen und so den natürlichen Hochwasserschutz wiederzubeleben. Leider merkte man schnell, dass so eine Flussaue gar nicht so leicht zurückzugewinnen ist. Eine Flussaue braucht Pflege und für die sorgten seit alters her die Biber. Erst durch die Biberaktivität entstehen die charakteristischen Auwaldlandschaften. Die Biberburgen als natürliche Staudämme überfluten immer wieder Teile des Waldes und zudem hält der Biber durch das Fällen der Bäume Freiflächen offen, die für andere Bewohner des Auwaldes den notwendige Lebensraum darstellen.
Diese alten Auwaldlandschaften entstehen zur Zeit dort neu, wo sich der Biber wieder angesiedelt hat. So steht und fällt also mit dem Biber ein ganzes Ökosystem, dessen Erhalt auch für die ortsansässigen Menschen lebenswichtig sein kann; spätestens wenn die nächste Hochwasserwelle auf sie zurollt.
Wenn man diese Menschen fragen würde, ob sie Biber für wertvoll halten, würden sie wahrscheinlich mit ja antworten, und wahrscheinlich würden sie damit nicht den Wert seines Pelzes meinen.
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