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World Energy Outlook 2012: Zurück zum Öl?

Die Energiemärkte verändern sich dramatisch, und mit ihnen ändern sich wichtige politische Rollen. Die USA wird 2030 in die neue Rolle des weltgrößten Exporteurs fossiler Energien hineinwachsen. Die globalen Subventionen für fossile Rohstoffe steigen auf Rekordwerte, während die Weltbank vor einem verheerenden Klimawandel warnt.

Nach dem World Energy Outlook 2012 der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris nimmt die Importabhängigkeit der EU zu, während neue Fördermethoden für Öl und Gas die USA ab 2020 zum größten Erdölproduzenten machen. Die Umweltverträglichkeit des so genannten Fracking wird breit diskutiert, weil hier Flüssigkeiten in großer Tiefe in den Untergrund gepresst werden, um die Lagerstätten von Gas und Öl aufzuschließen, so dass bisher unwirtschaftliche Lagerstätten nunmehr wirtschaftlich erschlossen werden können.

Die Harvard Kennedy School spricht in einer Analyse von einem „Paradigmenwechsel in der Ölwelt“. Allerdings hat Fracking in den USA vielerorts zu starken Umweltbelastungen geführt. Der französische Präsident François Hollande hat die Fördermethode deshalb in seinem Land bereits verboten. Ein anderer Effekt beeinflusst die Entwicklung der USA hin zum Erdölexporteur noch stärker als die neuen Fördertechniken: die Effizienz. Der Verbrauch an Erdöl sinkt demnach künftig, weil es neue Vorschriften zur Effizienz von Motoren gibt. Bis 2025 müssen Fahrzeughersteller in den USA den Verbrauch von Neuwagen halbieren.

Allerdings sind die Prognosen der IEA umstritten: Die US-Behörde für Energieinformationen (U.S. Energy Information Administration) kommt zu anderen Ergebnissen. 2011 mussten die USA noch 45 Prozent ihres Ölverbrauchs importieren, sechs Jahre zuvor waren es noch 60 Prozent. Im Jahr 2035 werden es demnach immer noch 35 Prozent sein, bei großen Fortschritten bei der Fördertechnik wären es noch 24 Prozent — allerdings ist in den Szenarien der Effekt der neuen Regeln für sparsamere Motoren noch nicht enthalten.

Schlechte Prognosen der IEA

In der Vergangenheit lagen IEA - Prognosen teilweise weit daneben. Noch im Jahr 2004 ging sie von einem Ölpreis von 22 US-Dollar pro Barrel im Jahr 2010 und 29 US-Dollar im Jahr 2030 aus. Im Oktober 2012 kostete die Rohölsorte UK Brent im Schnitt bereits 111,71 US-Dollar. Auch die Dynamik der Entwicklung erneuerbarer Energien hat die IEA unterschätzt: Im Jahr 2004 ging sie davon aus, dass erneuerbare Energien ohne Wasserkraft im Jahr 2030 sechs Prozent des weltweit erzeugten Stromes liefern würden. Nach Zahlen des jüngsten Global Status Reports Renewables 2012 waren es im vergangenen Jahr bereits fünf Prozent.

Die Autoren beider Studien betonen die Unsicherheiten in ihren Berechnungen und arbeiten deshalb mit unterschiedlichen Szenarien. „Der Konjunkturverlauf spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung der globalen Energiemärkte. Sie führt zu einer großen Unsicherheit unserer Projektionen, besonders kurz- und mittelfristig“, schreibt die IEA. Weitere unsichere Faktoren seien die demographische Entwicklung, Energiepreise und die Entwicklung verschiedener Technologien wie Solarenergie, Atomkraft, Biosprit oder CCS (Carbon Capture and Storage, eine Methode zur Abscheidung und Verpressung der Kohlendioxid-Emission aus Kraftwerken). Die beschriebene Entwicklung der USA bezieht sich auf das „New Policies Scenario“, das davon ausgeht, dass die bis Mitte 2012 angekündigten Maßnahmen auch umgesetzt werden. Ganz anders würde die Welt aussehen, würden Staaten die bereits heute bekannten Maßnahmen für mehr Energieeffizienz umsetzen, schreibt die IEA. Bis 2035 könnten 18 Prozent des heutigen globalen Energieverbrauchs eingespart werden, Investitionen von 11,8 Billionen US-Dollar bis 2035 würden Einsparungen von 17,5 Billionen US-Dollar gegenüberstehen.

Im World Energy Outlook ist ein weiterer Rekord vermeldet: Im Vergleich zu 2010 sind die Subventionen für fossile Rohstoffe 2011 weltweit um 30 Prozent gestiegen — auf 523 Milliarden US-Dollar. Sie werden vor allem in Nordafrika und dem Nahen Osten gewährt. Erneuerbare Energien werden nur mit einem Sechstel des Betrages gefördert. Sollten sich die energiepolitischen Rahmenbedingungen nicht ändern, führen die damit anfallenden Emissionen aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer globalen Erwärmung von durchschnittlich 3,6 Grad, so die IEA. Sollte es weltweit im Mittel mehr als zwei Grad wärmer werden, gehen Wissenschaftler von dramatischen Gefahren für Mensch und Umwelt aus. „Bei Berücksichtigung aller neuen Entwicklungen und Politikmaßnahmen sieht es noch immer nicht so aus, als gelänge es, das globale Energiesystem auf einen nachhaltigen Pfad zu lenken“, heißt es in dem Bericht.

Weltbank warnt vor verheerenden Folgen des Klimawandels

Vor den Folgen dieser Entwicklung warnt die Weltbank in einer neuen Studie, die das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das Berliner Institut Climate Analytics erstellt haben. In dem Bericht werden die Auswirkungen eines Anstiegs der globalen Durchschnittstemperaturen um vier Grad beschrieben. Das sei bis Ende des Jahrhunderts fast unvermeidlich, wenn es keine „ernsthaften politischen Änderungen“ gibt, heißt es darin, und: „Das 4-Grad-Szenario ist verheerend“. Es drohten ein irreparabler Verlust an Biodiversität sowie überflutete Küstenstädte, mehr Niederschläge in feuchten Gebieten und noch weniger in trockenen.

Am 26. November treffen sich in Doha in Katar Vertreter aus 189 Staaten zur nächsten UN-Weltklimakonferenz. Im vergangenen Jahr hatte sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, bis 2015 ein neues Abkommen auszuhandeln, dass die Erderwärmung eindämmen soll.

Quelle: „Rat für Nachhaltige Entwicklung“, www.nachhaltigkeitsrat.de