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Umwelt- und Nord-Süd-Nachrichten Januar 2005

Zusammengestellt von Norbert Suchanek

Gletscher Ade — Scheiden tut weh

Nicht nur die Alpengletscher sind betroffen: Bis auf Skandinavien und Neuseeland schmelzen weltweit die Gletscher in einem Ausmaß, dass niemand mehr den Globalen Klimawandel verleugnen kann. Selbst die Gletscher Patagoniens und der hohen Anden Südamerikas schrumpfen. Und der berühmte Schnee auf Afrikas Kilimanjaro wird bald nur noch Legende sein. Langfristig bedeutet der Gletscherschwund nicht nur Trinkwassermangel in vielen Bergregionen, auch Energiemangel wird die Folge sein, befürchten Wissenschaftler. Denn das jährliche Schmelzwasser der Gletscher speist viele Wasserkraftwerke.

Noch zehn Jahre bis zum Klima-GAU
Die Abkürzung GAU steht für den größten anzunehmenden Unfall. Wenn unsere Industriegesellschaften nicht schnell umsteuern, lässt sich der Klima-GAU nicht mehr vermeiden. Diese Warnung sprach nun die internationale "Climate Change Taskforce" - ein Expertenteam aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft — aus. Die Taskforce forderte die acht größten Industrienationen und auch alle anderen Regierungen auf, alles zu tun, damit die weltweiten Temperaturen nicht um mehr als zwei Grad Celsius ansteigen. Noch bleibe ein Zeitfenster von ungefähr zehn Jahren, um zu handeln und den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen.

Superflieger Airbus A380 - Steilflug in den Abgrund

Ob Rot, ob Grün, ob Schwarz oder Gelb: Alle führenden Regierungs- und Oppositionspolitiker freuten sich, als in Paris der neue Airbus-Jumbo A380 am 18. Januar Prämiere hatte. Auto- und nun bald auch Flugzeugkanzler Gerhard Schröder gab sich sogar euphorisch und meinte, dass Europa mit diesem Superjumbo zu den Sternen gegriffen habe. Doch die fatalen Konsequenzen der Entwicklung und des Einsatzes dieses Großraumflugzeugs, das bis zu 850 Passagiere auf einmal um den halben Globus transportieren kann, wurden dem Anlass entsprechend unter dem roten Teppich gehalten. Denn damit sich die hohen Entwicklungskosten des Riesenjets von rund Zwölf Milliarden Euro — bezahlt größtenteils mit Direkt- und Quersubventionen aus der Tasche der Steuerzahler — lohnen, braucht es ein hohes Wachstum des Luftverkehrs. So gehen die Airbus-Befürworter wie selbstverständlich davon aus, dass sich der Flugverkehr bis 2020 nochmals mehr als verdoppelt. Während die internationalen Klimaschützer ironischerweise fast parallel zur A380-Prämiere faktisch das Gegenteil forderten.

Hinzukommt, dass der neue Airbus für Langstreckeneinsätze von bis zu 20.000 Kilometern am Stück gebaut wurde. Das heißt: Nicht umweltschonender Nahtourismus, sondern klimaschädlicher Ferntourismus ist gefragt. Statt Ostseestrand oder Mallorca vor allem Karibik oder Südostasien.

Die Einsparungen im Spritverbrauch, die Airbus verspricht, können die massiven, erhofften Steigerungen im Fernflugverkehr nicht im Mindesten ausgleichen. Und schließlich macht die enorme Passagierkapazität des A380 auch noch eine Multiplikation der Zubringerflüge notwendig — nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern überall dort, wo er eingesetzt wird. Denn um in Deutschland die „Riesenkiste“, die wahrscheinlich nur in Frankfurt und München starten wird, voll zu kriegen, müssen Passagiere von allen anderen Flughäfen heran geflogen werden. Ob dieses Airbus-Konzept überhaupt auch ökonomisch ist, bezweifelt nicht nur Konkurrent Boing. Eines ist aber sicher: Das Klima wird uns diesen kräftigen Anheizeffekt mit besonderen Kapriolen danken. Also freuen wir uns mit unserem Kanzler auf den „Steilflug in den Abgrund“.

Italien ohne Strände

Was wäre Italien ohne seine Strände? Das mag man sich kaum ausmalen, trotzdem tut die italienische Regierung faktisch kaum etwas, um sie zu schützen. Schon 2.400 der insgesamt 7.500 Kilometer Küsten in Italien seien akut gefährdet. Dies zeige eine Studie des Forschungsinstituts Nomisma, meldet die österreichische Nachrichtenagentur APA. Hauptgrund für die Auswaschung der Erdoberfläche durch Wind und Wasser seien "unsinnige Bautätigkeit" an den Küsten sowie Klimaänderungen. Betroffen sei auch die südliche Adriaküste. Dabei sollte eigentlich selbst die italienische Regierung unter Medienmogul Berlusconi von der jüngsten Tsunamikatastrophe lernen. Schließlich sind Italien und das Mittelmeer gefährdete Erdbebengebiete und riesige Tsunamis durchaus wahrscheinlich. Wer hier den Schutz der Küsten zugunsten von Tourismusbauten oder anderen Infrastrukturprojekten vernachlässigt, gräbt sich selbst das Grab.

Grünhelme helfen den Flutopfern von Aceh

Schon Hunderte von Millionen Euro sind an die verschiedensten großen Hilfsorganisationen geflossen. Doch die Millionen sind an der kleinen, aber effektiven Organisation Grünhelme, gegründet vom Radiojournalisten Rupert Neudeck, vorbeigeflossen. Dabei können dort schon kleine Summen Großes bewirken. Zur Zeit bemühen sich die Grünhelme das zerstörte Dorf Pulau Kayu auf Aceh wiederaufzubauen.
„Das Dorf“, so ein Sprecher der Grünhelme, „braucht 300 Häuser, dazu müssen noch 80 repariert werden. Wenn wir von einem Materialpaket im Wert von 1.400 Euro ausgehen, ist das eine beträchtliche Summe. Deshalb geht unsere herzliche Bitte an alle unsere deutschen Landsleute: Bitte lassen sie die Menschen in Pulau Kayu nicht hängen!“ Die Hilfe der Grünhelme ist in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe mit Mitteln, die in der Regel kostengünstig vor Ort beschafft werden.
„Die Studenten — mit denen wir zusammenarbeiten vor Ort - haben die Verträge mit 280 (von den 380) Familien und Hausbesitzern gemacht. Die ersten in Medan eingekauften Hilfsgüter für die Menschen sind in Pulau Kayu angekommen: Kocher, Werkzeuge, Brunnenreiniger, Wasser, Nahrungsmittel, Holz, Zement.“ Die Grünhelme rechnen mit einer Bau- und Arbeitszeit von 3-5 Monaten. Der Teamleiter vor Ort braucht aber noch einen „tropenfesten, nervenstarken Bauleiter“, also einen der wirklich vom Bauen was versteht, am einen Polier.

Weitere Informationen:
Grünhelme e.V.
Kupferstr. 7
53842 Troisdorf
Tel. 02241-46020,
E-Mail: peace@gruenhelme.de
Internet: www.gruenhelme.de

Kurzkommentar: Deutschland auf Rang 31

Nicht nur in der Bildungspolitik sind wir ins schlechte Mittelmaß abgerutscht. Auch im Umweltschutz macht Deutschland offensichtlich keine gute Figur mehr. Noch hinter Panama landeten wir in der jüngsten Umwelt-Rangliste der Universitäten Yale und Columbia auf Platz 31. Am besten schnitt - wie auch in der Pisa-Studie - Finnland ab. Ja ich weiß. Lang ist’s her. Es gab mal Zeiten, da waren wir im Umweltschutz die Nummer 1, aber da waren ja auch noch nicht die Grünen in der Regierung und da durften wir auch noch nicht unsere (NATO-)grün bemäntelten Krieger in die Welt hinausschicken. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Alles eine Frage der Prioritäten und des Geldes.
Norbert Suchanek

Gen-Pappeln in China

China, die USA und Brasilien sind derzeit die Länder, wo der großflächige Einsatz von genetisch veränderten Bäumen schon bald Realität werden könnte, befürchtet die Kampagne gegen Gen-Bäume. China „testet“ bereits mit Tausenden von Gen-Pappeln. Auf Hawaii lassen die USA Gen-Papaya-Bäume zu Testzwecken in die Höhe wachsen, und Brasilien könnte das erste südamerikanisch Land werden, dass genmanipulierte Bäume verbreitet.

Weitere Informationen
E-Mail: forestforum@elonmerkki.net

Neues Buch über Gen-Bäume

Genetisch manipulierte Baumarten sind nach Meinung zahlreicher Naturschutz- und Menschenrechtsorganisationen eine der größten Gefahren für die Vielfalt unserer Wälder und für das Überleben ihrer traditionellen Bewohner. Auf 100 Seiten hat der Autor Chris Lang nun für das World Rainforest Movement (WRM) und Friends of the Earth International (FOEI) alles wissenswerte über Gen-Bäume knapp zusammengefasst.

Das Buch „Genetically Modified Trees — The ultimate threat to forests“ ist zu beziehen bei:
www.wrm.org.uy, E-Mail: wrm@wrm.org.uy
und unter www.foei.org, E-Mail foei@foei.org

Ungarn gegen Gen-Mais-Anbau

Die ungarische Regierung hat am 20. Januar 2005 den Import und Anbau von Monsanto-Genmais verboten. Nahrungsmittel aus Gen-Mais dürfen allerdings weiterhin eingeführt werden. In der EU sind inzwischen 17 verschiedene Formen von Monsanto-Genmais zum Anbau erlaubt.

WTO macht Hunger

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Menschenrechtsorganisation FIAN haben bei der Eröffnungsfeier der Grünen Woche am Donnerstagabend in Berlin die Position der Bundesregierung in den Agrarverhandlungen der Welthandelsorganisation WTO kritisiert. "WTO macht Hunger" war auf einem Banner und auf Papptellern zu lesen, die während der Rede von Landwirtschaftsministerin Renate Künast durch den Saal flogen. "Hierzulande preist Renate Künast die Agrarwende, doch auf internationaler Ebene unterstützt sie die knallharte Liberalisierungspolitik der WTO", sagte Christiana Schuler von der Attac-Arbeitsgruppe Agrarnetz. Dies bedrohe die Kleinbauern und -bäuerinnen im Süden. Schuler: "Die WTO-Politik verschärft die Hungerkrise in diesen Ländern, anstatt sie zu bekämpfen." So hat die Öffnung der Agrarmärkte in vielen Ländern des Südens zu einer Flut billiger Importe geführt, mit denen Kleinbauern und -bäuerinnen nicht konkurrieren können. Sie verlieren ihre Lebensgrundlage. "Der Zwang zur Marktöffnung verhindert die Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung, das im Sozialpakt der UNO völkerrechtlich verankert ist", kritisierte Armin Paasch von FIAN (FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk). "Wenn die Bundesregierung ernsthaft für das Menschenrecht auf Nahrung eintreten will, muss sie sich für umfassende Schutzmöglichkeiten für die kleinbäuerliche Landwirtschaft stark machen."

Infos:
Christiana Schuler
Attac AgrarNetz
Tel: 0160-93070139

Armin Paasch
FIAN Deutschland
Tel: 0175-6242848

Argentinien: Erdölkonzerne gegen Mapuche

Die Mapuche-Gemeinde Logko Puran in der argentinischen Provinz Neuquén hat den Raubbau und die Umweltverschmutzungen durch die Erdölindustrie in ihrem Gebiet satt. Sie fordert ultimativ den US-amerikanischen Konzern Pioneer auf, die Ausbeutung der Erdölvorkommen auf ihrem Territorium zu beenden. Schon seit Jahren klagten die argentinischen Ureinwohner gegen die Erdölausbeutung, weil sie ihre Umwelt, Pflanzen und Tiere vergifte. Als Antwort schickte die Regierung Argentiniens und der US-Konzern Soldaten, genauer gesagt die Aufstandbekämpfungseinheit (UESPO), um die „aufständischen“ Indios zu befrieden.

Info:
www.mapuexpress.net

Regierung streicht Gelder für Münchner Gen-Kartoffeln

Wie das Wissenschaftsmagazin Science im Januar berichtete, gibt es für die umstrittenen Gen-Kartoffeln der Technischen Universität (TU) München keine Forschungsgelder mehr. Nach Aussage von Helmar Schubert vom Institut für Lebensmittelverfahrenstechnik der Universität Karlsruhe, die an dem Gen-Projekt beteiligt ist, werde das Bundesforschungsministerium keine weiteren Zahlungen mehr leisten. Es sei zur Zeit nicht einmal mehr Geld da, das Projekt zu Ende zu führen. Nach Ansicht des Umweltinstituts München e.V. war die Entwicklung dieser "Carotinoid-Kartoffel" sowieso bereits im Ansatz verfehlt. "Es ist nicht sinnvoll, Fehlernährung mit einer Technologie zu bekämpfen, die Ökosystem und Verbraucher unakzeptablen Risiken aussetzt", erklärt der Gentechnikexperte des Umweltinstituts. Die TU München solle nun das ganze Gen-Projekt freiwillig einstellen, rät er. Es seien bereits für diese sinnlose Forschung rund zehn Millionen Euro an Steuergeldern geflossen.

Quelle: umweltinstitut.org

Europäische Entwicklungshilfe als getarnte Ausbeutung in Mexiko

Das Interesse privater Investoren ist der europäischen wie der deutschen, staatlichen Entwicklungshilfe offensichtlich wichtiger als das Wohl der betroffenen Menschen vor Ort. Das soll zumindest auf ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit in Mexiko zutreffen, wie eine Studie der BUKO-Kampagne — BUKO steht für Bundeskoordination Internationalismus - gegen Biopiraterie nun zeigt. Sie untersuchte die europäische und deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Mexiko und Zentralamerika. Ergebnis: Die staatliche Entwicklungshilfe ist eher eine Investitionsvorbereitung für Unternehmen, getarnt unter dem Begriff "Private Public Partnership (PPP)". Im mexikanischen Chiapas-Gebiet werde nun diese falsche Entwicklungshilfe auf Kosten der traditionellen Bevölkerung betrieben. Die Studie "Qué pasa? Entwicklungszusammenarbeit, Biopiraterie und Aufstandsbekämpfung." ist zu beziehen bei:

Infoladen Bankrott
Dahlweg 64
48153 Münster
E-Mail: bankrott@free.de


Weitere Infos:
„Hinter der Biopiraterie steht noch viel mehr - Interview mit Ana Valadez, COMPITCH, Chiapas, Mexico”, www.biopiraterie.de

Evangelische Kirche streicht Gelder für BUKO

Gerade die Kampagne gegen Biopiraterie und die aktuelle, kritische Studie über eine falsche, europäische Entwicklungshilfe in Mexiko „Qué pasa“ zeigen, wie wichtig die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) ist. Doch nach fast 25-jähriger Zusammenarbeit hatte der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) vergangenen Dezember bekannt gegeben, die Zuschüsse für die BUKO drastisch zu kürzen. Die Bezuschussung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit der BUKO bestand u. a. aus einer jährlichen institutionellen Förderung (v.a. Lohnkosten, Miete, Verwaltungskosten, etc. für die Geschäftsstelle) und einer jährlichen Kongressförderung, in Höhe von zuletzt jeweils 15.000 Euro. Für beides wird der EED im Jahr 2005 kein Geld mehr bereitstellen. Die BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie kritisiert diese Entscheidung des EED und fordert den EED auf, sie zu überdenken.

Info:
www.biopiraterie.de

USA zwängen Iraker Gen-Saatgut auf

Die Iraker haben großen Mut gezeigt und ein Parlament gewählt. Keine Wahl hatten allerdings die irakischen Landwirte. Per Federstrich wurde ihnen durch die Bush-Administration im Irak Gen-Saatgut von Monsanto aufgedrückt. Dabei ist der Irak nicht nur ein reiches Erdölland. Das Land am Euphrat ist gleichzeitig die Wiege des Ackerbaus und eines der Gen-Zentren für Getreide. Und die irakischen Bauern hatten auch unter Saddam Hussein alte Sorten im Getreideanbau bewahrt. Diese Vielfalt ist jetzt bedroht, schließlich sollen künftig die US-amerikanischen Agrarkonzerne wie Monsanto auch an den Irakern verdienen.

„Die USA haben ihre Patente auf Leben bisher weltweit durch Handelsabkommen durchgesetzt. In diesem Fall haben sie zuerst das Land überfallen und dann die Patente aufgedrückt. Dies ist sowohl unmoralisch als auch inakzeptabel“, kritisiert der indische Landwirtschaftsexperte Shalini Bhutani von der Organisation Grain. Die internationale Nichtregierungsorganisation Grain fördert weltweit die nachhaltige Landwirtschaft und steht dafür, dass die genetischen und biologischen Ressourcen in der Hand der lokalen Bevölkerungen bleiben und nicht von Konzernen kontrolliert werden.

Weitere Informationen:
www.grain.org/front/
www.vegsource.com/articles2/iraq_seeds.htm
foei@foei.org